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26. Juni 2016

Nach dem MRT



Echtzeit! 10. September 2014


Wir laufen herum wie Zombis. Ich habe mich entschlossen, arbeiten zu gehen. Ich brauche Normalität um mich herum. Ich reiße mich förmlich um den Pressetermin am Vormittag, halte Smalltalk mit den Leuten vor Ort, mache Fotos von der neuen Kanustrecke, überarbeite die Pressemitteilung. Es funktioniert.

Ada und Vianne wollten in den Kindergarten, Luke ist in der Schule, Jesse beim Schülerpraktikum. Micha übernimmt die schwere Aufgabe, die  Kindergärtnerinnen zu informieren (ich kann das heute nicht). Sie müssen gut auf Vianne achten. Das Scheißding ist in nur acht Wochen gewachsen, auf den letzten Aufnahmen war noch nicht einmal ein Schatten zu sehen. Wir müssen aufpassen, dass das Rückenmark nicht gequetscht wird, wenn der Tumor in der Geschwindigkeit weiter wächst. Momentan ist der Druck noch nicht so groß, aber falls Vianne plötzlich Symptome zeigen sollte, muss sie unverzüglich operiert werden. Am Nachmittag - Vianne war mit Andi und Ada beim Kinderturnen!?! - haben wir einen Gesprächstermin mit den Dortmundern. Ich vertraue ihnen. Wir legen es in ihre Hände, wir können nicht mehr. Sie sollen Empfehlungen herausgeben. Sie machen ihre Arbeit sehr gut, haben bereits gestern am späten Abend viele Dinge in die Wege geleitet, sich vernetzt mit den entsprechenden Fachbereichen. Es besteht vielleicht die Möglichkeit, Vianne als Patientin in einer bestimmten Studie aufzunehmen, die sich ganz vielversprechend anhört. Sie haben die MRT-Bilder komplett ausgewertet. Das Köpfchen ist tumorfrei. Die Empfehlung: schnellstmögliche Operation an der Wirbelsäule, sofortige Temodal-Gabe (orale Chemotherapie) nach Rücksprache mit dem Neurochirurgen, mit dem wir am Freitag einen Termin haben. Sie wollen grünes Licht, dass sich Chemo und Operation nicht beeinflussen. Es geht mir langsam etwas besser.

Micha und ich schmusen abends lange mit den Kindern im Bett. Der Zombi in uns schwindet langsam, das Gefühl kehrt zurück. Wir laufen zwar auf wackligen Beinen, aber wir laufen. Jesse, Luke und Ada wanken. Vianne weiß, dass der Tumor zurück ist. Sie ist schlau und wir machen ihr nichts vor. Sie ist stärker als ich. Gestern hat sie zu mir gesagt, ich solle aufhören zu weinen, es sei alles nicht so schlimm. "Doch, es ist schlimm", gab ich ihr zur Antwort. "Wir müssen vielleicht wieder häufiger ins Krankenhaus und wir müssen dich operieren lassen." Ihre Antwort: "Im Krankenhaus ist es doch gar nicht so schlecht! Soll ich dich noch einmal küssen, dann geht es dir besser." Sie ist fünf Jahre alt!

Die nächsten Tage knüpfe ich wieder an 2013 an. Die Zeit fließt unaufhaltsam weiter, ich würde sie gerne für eine kurze Verschnaufpause anhalten. Aber das geht nicht. Also werde ich mich beeilen.

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