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26. Juni 2016

Lebenssaft



Rückblick: Januar 2013


Ein neues Jahr hatte begonnen - 2013 konnte einfach nur besser werden - irgendwie war ich mir da ganz sicher. Das letzte Therapieelement aus dem 2. Zyklus stand auf dem Plan: Etoposid und Carboplatin – ein Mittel, das dafür bekannt ist, die Blutwerte in den Keller fallen zu lassen! Vom 10. Januar - 13. Januar waren wir für die Infusionen mit Vianne in der Kinderklinik. Wieder Zuhause angekommen, ging es ihr drei Tage lang richtig gut. Meine Schwester und ich fuhren mit Ada und Vianne Schlitten, wir schlürften alle heißen Kakao, futterten Plätzchen, fingen mit dem Mund Schneeflocken auf und hinterließen "Schnee-Engel" auf der verschneiten Wiese. Welch ein unbeschwerter Tag!

Am vierten Tag kam das Fieber. Vianne hatte kaum noch Abwehrkräfte, dafür aber einen hohen Entzündungswert im Blut. Eine gefährliche Kombination. Wieder musste sie Antibiotika-Infusionen bekommen, wieder mussten wir stationär ins Krankenhaus. Aber auch die Erythrozyten (verantwortlich für den Sauerstofftransport im Blut) und die Thrombozyten (Blutgerinnung) hatten einen kritischen Wert erreicht. Die Gefahr, innerlich zu verbluten, war groß, ebenso die Gefahr, dass ihr Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Sie war so blass! Am 19. Januar 2013 erhielt Vianne ihre erste Bluttransfusion. Ich saß heulend im Zimmer der Stations-Psychologin. Alle gaben sich die größte Mühe, mir zu vermitteln, dass eine Bluttransfusion nichts Schlimmes sei, sondern ein Segen. Es werde ihr damit schnell besser gehen. Ich hingegen war voller Angst: vor allergischen Reaktionen, vor der falschen Blutgruppe, vor Aids und Hepatitis, die übertragen werden konnten.... Für die Ärzte und Schwestern auf Station war es etwas ganz Alltägliches, etwas Gutes. In mir wehrte sich alles. "Was macht Ihnen denn wirklich so viel Angst?", fragte die Psychologin einfühlsam. Wenn man es logisch betrachtete, war die Gefahr einer Krankheitsübertragung überschaubar, allergischen Reaktionen konnte man sofort entgegenwirken. Was also machte mir so Angst? Tief im Inneren kannte ich die Antwort. Wenn jemand eine Bluttransfusion benötigte, war er definitiv und unwiderruflich krank - schwer krank. Bluttransfusionen waren für mich das Sinnbild eines schwerkranken Menschen. Während ihrer ersten Bluttransfusion ließ ich Vianne nicht aus den Augen, das Notfallset immer in Reichweite, die Schwestern-Ruftaste immer griffbereit. Vianne war wie immer. Sie freute sich darüber, dass die Flüssigkeit in ihrem Infusionsschlauch heute so schön rot war. Sie reagierte weder allergisch noch sonst irgendwie. Einen Tag später folgte die 2. Bluttransfusion, und danach durften wir endlich nach Hause und hatten zweieinhalb Wochen krankenhausfrei. Der zweite Therapiezyklus war geschafft. Wir verbrachten dieses Mal insgesamt 19 Tage stationär in der Klinik. Bis zum Ende der Chemotherapie sollten noch elf weitere Bluttransfusionen folgen. An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an alle Blutspender! Mehr denn je wissen wir diesen "Lebenssaft" zu schätzen.

Auszug aus dem Krankenhausbericht:

"Am 22.01.2013 wurde bei Vianne ein MRT des Schädels zur Verlaufskontrolle durchgeführt. Das MRT zeigte erfreulicher Weise weiterhin keinen Hinweis auf ein Rezidiv der Grunderkrankung."





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