Rückblick: Januar 2013
Ein
neues Jahr hatte begonnen - 2013 konnte einfach nur besser werden - irgendwie
war ich mir da ganz sicher. Das letzte Therapieelement aus dem 2. Zyklus stand
auf dem Plan: Etoposid und Carboplatin – ein Mittel, das dafür bekannt ist, die
Blutwerte in den Keller fallen zu lassen! Vom 10. Januar - 13. Januar waren wir
für die Infusionen mit Vianne in der Kinderklinik. Wieder Zuhause angekommen,
ging es ihr drei Tage lang richtig gut. Meine Schwester und ich fuhren mit Ada
und Vianne Schlitten, wir schlürften alle heißen Kakao, futterten Plätzchen,
fingen mit dem Mund Schneeflocken auf und hinterließen "Schnee-Engel"
auf der verschneiten Wiese. Welch ein unbeschwerter Tag!
Am
vierten Tag kam das Fieber. Vianne hatte kaum noch Abwehrkräfte, dafür aber
einen hohen Entzündungswert im Blut. Eine gefährliche Kombination. Wieder
musste sie Antibiotika-Infusionen bekommen, wieder mussten wir stationär ins
Krankenhaus. Aber auch die Erythrozyten (verantwortlich für den
Sauerstofftransport im Blut) und die Thrombozyten (Blutgerinnung) hatten einen
kritischen Wert erreicht. Die Gefahr, innerlich zu verbluten, war groß, ebenso
die Gefahr, dass ihr Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Sie
war so blass! Am 19. Januar 2013 erhielt Vianne ihre erste Bluttransfusion. Ich
saß heulend im Zimmer der Stations-Psychologin. Alle gaben sich die größte
Mühe, mir zu vermitteln, dass eine Bluttransfusion nichts Schlimmes sei,
sondern ein Segen. Es werde ihr damit schnell besser gehen. Ich hingegen war
voller Angst: vor
allergischen Reaktionen, vor der falschen Blutgruppe, vor Aids und Hepatitis,
die übertragen werden konnten.... Für die Ärzte und Schwestern auf Station war
es etwas ganz Alltägliches, etwas Gutes. In mir wehrte sich alles. "Was
macht Ihnen denn wirklich so viel Angst?", fragte die Psychologin
einfühlsam. Wenn man
es logisch betrachtete, war die Gefahr einer Krankheitsübertragung
überschaubar, allergischen Reaktionen konnte man sofort entgegenwirken. Was
also machte mir so Angst? Tief im Inneren kannte ich die Antwort. Wenn jemand
eine Bluttransfusion benötigte, war er definitiv und unwiderruflich krank -
schwer krank.
Bluttransfusionen waren für mich das Sinnbild eines schwerkranken Menschen. Während
ihrer ersten Bluttransfusion ließ ich Vianne nicht aus den Augen, das
Notfallset immer in Reichweite, die Schwestern-Ruftaste immer griffbereit.
Vianne war wie immer. Sie freute sich darüber, dass die Flüssigkeit in ihrem
Infusionsschlauch heute so schön rot war. Sie reagierte weder allergisch noch
sonst irgendwie. Einen Tag später folgte die 2. Bluttransfusion, und danach
durften wir endlich nach Hause und hatten zweieinhalb Wochen krankenhausfrei.
Der zweite Therapiezyklus war geschafft. Wir verbrachten dieses Mal insgesamt
19 Tage stationär in der Klinik. Bis zum Ende der Chemotherapie sollten noch
elf weitere
Bluttransfusionen folgen. An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an alle
Blutspender! Mehr denn je wissen wir diesen "Lebenssaft" zu schätzen.
Auszug
aus dem Krankenhausbericht:
"Am
22.01.2013 wurde bei Vianne ein MRT des Schädels zur Verlaufskontrolle
durchgeführt. Das MRT zeigte erfreulicher Weise weiterhin keinen Hinweis auf
ein Rezidiv der Grunderkrankung."
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