Rückblick: Freitag, 17.
August, nachmittags
Vianne
war traurig: ihre Geschwister durften in das große Wohnmobil umziehen, sie
musste mit uns in der Klinik bleiben. Ich bat die drei, sich noch einmal
richtig mit Umarmung und Küsschen von Vianne zu verabschieden. "Wird es
ein Abschied für immer?", schoss es mir durch den Kopf. Ich war kurz
davor, wieder
ins
Spielzimmer zu rennen. Zum Glück gingen die übrigen Kinder ohne Probleme mit
Andi und Ralf mit. Andi nahm Vianne fest in die Arme: "Du musst mir
versprechen, nachher wieder aufzuwachen, dann "….“ Ich habe leider
vergessen, was sie ihr versprochen hat, aber es war etwas, voran sich Vianne
auch noch im tiefsten Schlaf erinnern sollte, auch wenn sie ganz weit weg ist.
Sie sollte allen Grund haben, wieder aufzuwachen.
Der
Abschied war schmerzlich, und doch waren wir froh, uns nun voll und ganz auf
die "Motte" konzentrieren zu können. Wir bereiteten sie vor auf die
anstehende Operation. Wir erklärten ihr, dass etwas in ihrem Kopf sei, was dort
nichts zu suchen hätte, und dass der nette Arzt von vorhin diesen Knubbel raus
machen müsste. Dafür würde sie einen Zaubersaft kriegen, der sie ins Reich der
Träume mitnehmen würde. "Ich habe Durst", sagte Vianne fordernd. Aber
sie durfte natürlich nichts mehr essen und trinken. Sie quengelte. Also lenkten
wir sie ab, wir spielten voller Inbrunst mit ihr, alles was sie wollte und
solange sie wollte. Es wurde 15 Uhr, 16 Uhr. Sollte die Operation etwa doch
nicht stattfinden? Ich wollte dieses riesige Ding jetzt aus ihrem Kopf haben,
bevor es sich weiter einnisten und zerstören konnte, auch wenn ich eine wahnsinnige
Angst vor der Operation hatte. Aber wenn sie sowieso operiert werden musste,
dann jetzt.
Irgendwann
kam eine Schwester und brachte einen Mini-OP-Kittel für Vianne mit. "Ein
Kleid mit Bärchen, Mama", rief Vianne erfreut. "Ja, ein Kleid mit
Bärchen", sagte ich liebevoll, während sich mein Blick verschleierte.
"Es ist gleich soweit", sagte die Schwester. Wir hatten vorher
besprochen, dass Vianne bei uns auf
dem Arm einschlafen darf. Wir fuhren mit dem Aufzug bis vor den
Operationsbereich. Vianne lag in meinen Armen, Micha stand ganz dicht bei uns.
Die Narkose wurde eingeleitet. Ich sprach ganz leise zu ihr, erzählte ihr noch
etwas von einem See, ich summte und sang, sie wurde immer schlaffer in meinen
Armen. Wir küssten sie auf die Stirn. Sie schlief. Sofort übernahm das
Narkoseteam. Die Tür fiel hinter ihnen zu. Wir standen da. Leer. Und dann
brachen alle angestauten Tränen mit einem Mal heraus.
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