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20. Juni 2016

Überall dabei



Rückblick: November 2012

Wir versuchten, Vianne soviel Normalität wie möglich zu bewahren. Am Anfang fand sie es noch gut, dass sie nicht in den Kindergarten musste und mich exklusiv für sich hatte. Nach und nach jedoch vermisste sie das Kindergartenleben, schließlich durfte Ada jeden Tag gehen. Ada hingegen wollte oftmals gar nicht, dann behielt ich beide Mäuse Zuhause, sofern es möglich war. Dann kam der St.-Martins-Tag. Die Kindergartengruppe veranstaltete immer einen Laternenzug mit echtem Pony vorneweg, später wurde die Mantelteilung in der Turnhalle nachgespielt und Kinderpunsch und Martinsbrezeln serviert. Vianne wollte gerne dabei sein - und es passte auch. Kein  Krankenhausaufenthalt, kein Fieber. Allerdings sollten wir uns vor Menschenmengen fernhalten, weil ihre Abwehrkräfte so geschwächt waren. Wir teilten den Erzieherinnen mit, dass wir mit Ada und Vianne an dem Laternenzug teilnehmen, uns danach aber direkt verabschieden, da Vianne nicht mit zu vielen Leuten in einem Raum sein darf. Daraufhin verlegten die Erzieherinnen das St.-Martin-Spiel mit der Mantelteilung kurzerhand nach draußen. Anschließend durfte Vianne noch eine Runde auf dem Pony reiten. Was für ein toller Kindergarten! Wir waren unglaublich gerührt von so viel Feingefühl und Hilfsbereitschaft. Anschließend sind wir dann doch noch mit rein in den Kindergarten, weil Vianne (und auch Ada) so gerne noch einen Kakao schlürfen wollten. Wir haben einfach wieder auf unser Bauchgefühl vertraut und Vianne den Mundschutz übergezogen. Wir wollten ihr nicht noch mehr versagen, auch wenn die reale Gefahr einer Infektion bestand. Natürlich zuckten wir bei jedem Husten um uns herum zusammen. Dann schauten wir einfach in Viannes lachende Augen und verdrängten den Gedanken an Keime und Erreger. Schließlich hat ein trauriges Kind noch weniger Abwehrkräfte. Als wir später zurück zu unserem Auto gingen, schaute Vianne uns an und sagte: "Das war ein ganz toller Tag!" Was wollen wir mehr?! Wieder einmal musste ich mir die Tränen verdrücken.

Alles in allem fanden wir es unglaublich, wie gut Vianne die schweren Medikamente bisher vertrug, wie viel Energie sie aufbrachte. Sie wollte unbedingt zum Mutter-Kind-Turnen, welches wir vor ihrer Erkrankung regelmäßig besucht hatten. Sobald es ihre Abwehrkräfte gerade eben zuließen, nahmen wir auch jetzt teil, denn Vianne wollte turnen, springen, hangeln und schaukeln. Ich war dabei nie entspannt, ich hatte immer Angst, dass sie mit ihrem Katheter irgendwo hängen bleibt oder bei niedriger Thrombozytenzahl (wichtig für die Blutgerinnung) unglücklich stürzt. Aber ihr Lachen und ihre Freude haben mich jedes Mal bestätigt. Anfangs war es schwer, die Blicke der anderen auszuhalten, obwohl sie es gar nicht böse meinten. Vianne war mittlerweile merklich von der Chemo gezeichnet: sie bewegte sich anders als vor der Erkrankung, sie war blass, hatte nur noch wenige Haare und trug meistens einen Mundschutz.

Auf dem Hof einer Freundin fuhr Vianne im Elektroauto, auch das Ponyreiten ließ sie sich nicht nehmen. Das Leben hatte uns ein Stück weit zurück - auch wenn ich dabei andauernd Schweißausbrüche hatte. Gut, dass unsere Klinikärzte von all den Aktionen nichts mitbekamen…

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