Rückblick: November
2012
Wir
versuchten, Vianne soviel Normalität wie möglich zu bewahren. Am Anfang fand
sie es noch gut, dass sie nicht in den Kindergarten musste und mich exklusiv
für sich hatte. Nach und nach jedoch vermisste sie das Kindergartenleben,
schließlich durfte Ada jeden Tag gehen. Ada hingegen wollte oftmals gar nicht,
dann behielt ich beide Mäuse Zuhause, sofern es möglich war. Dann kam der
St.-Martins-Tag. Die Kindergartengruppe veranstaltete immer einen Laternenzug
mit echtem Pony vorneweg, später wurde die Mantelteilung in der Turnhalle
nachgespielt und Kinderpunsch und Martinsbrezeln serviert. Vianne wollte gerne
dabei sein - und es passte auch. Kein Krankenhausaufenthalt,
kein Fieber. Allerdings sollten wir uns vor Menschenmengen
fernhalten, weil ihre Abwehrkräfte so geschwächt waren. Wir teilten den Erzieherinnen
mit, dass wir mit Ada und Vianne an dem Laternenzug teilnehmen, uns danach aber
direkt verabschieden, da Vianne nicht mit zu vielen Leuten in einem Raum sein
darf. Daraufhin verlegten die Erzieherinnen das St.-Martin-Spiel
mit der Mantelteilung kurzerhand nach draußen. Anschließend durfte Vianne noch
eine Runde auf dem Pony reiten. Was für ein toller Kindergarten! Wir waren
unglaublich gerührt von so viel Feingefühl und Hilfsbereitschaft. Anschließend
sind wir dann doch noch mit rein in den Kindergarten, weil Vianne (und auch
Ada) so gerne noch einen Kakao schlürfen wollten. Wir haben einfach wieder auf
unser Bauchgefühl vertraut und Vianne den Mundschutz übergezogen. Wir wollten
ihr nicht noch mehr versagen, auch
wenn die reale Gefahr einer Infektion bestand. Natürlich zuckten wir bei jedem
Husten um uns herum zusammen. Dann schauten wir einfach in Viannes lachende
Augen und verdrängten den Gedanken an Keime und Erreger. Schließlich hat ein
trauriges Kind noch weniger Abwehrkräfte. Als wir später zurück zu unserem Auto
gingen, schaute Vianne uns an und sagte: "Das war ein ganz toller
Tag!" Was wollen wir mehr?! Wieder einmal musste ich mir die Tränen
verdrücken.
Alles
in allem fanden wir es unglaublich, wie gut Vianne die schweren Medikamente
bisher vertrug, wie viel Energie sie aufbrachte. Sie wollte unbedingt zum
Mutter-Kind-Turnen, welches wir vor ihrer Erkrankung regelmäßig besucht hatten.
Sobald es ihre Abwehrkräfte gerade eben zuließen, nahmen wir auch jetzt teil, denn
Vianne wollte turnen, springen, hangeln und schaukeln. Ich war dabei nie
entspannt, ich hatte immer Angst, dass sie mit ihrem Katheter irgendwo hängen
bleibt oder bei niedriger Thrombozytenzahl (wichtig für die Blutgerinnung)
unglücklich stürzt. Aber ihr Lachen und ihre Freude haben mich jedes Mal
bestätigt. Anfangs war es schwer, die Blicke der anderen auszuhalten, obwohl
sie es gar nicht böse meinten. Vianne war mittlerweile merklich von der Chemo
gezeichnet: sie bewegte sich anders als vor der Erkrankung, sie war blass,
hatte nur noch wenige Haare und trug meistens einen Mundschutz.
Auf
dem Hof einer Freundin fuhr Vianne im Elektroauto, auch das Ponyreiten ließ sie
sich nicht nehmen. Das Leben hatte uns ein Stück weit zurück - auch wenn ich
dabei andauernd Schweißausbrüche hatte. Gut, dass unsere Klinikärzte von all
den Aktionen nichts mitbekamen…
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