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14. Juni 2016

Bösartig



Rückblick: Mittwoch, 22. August


Uli kam abermals mit Loulou vorbei, wir freuten uns schon sehr auf ihren Besuch. Es ging raus in die Sonne, wir schoben Vianne wieder die Kieler Voerde entlang und besuchten das nahe gelegene Meeres-Aquarium. Auch das obligatorische Eis durfte nicht fehlen. Es war ein rundum gelungener Tag und Vianne machte ständig Fortschritte. Wir kehrten zurück in die Klinik und Uli wollte sich gerade verabschieden, als plötzlich ein Arzt zu uns ins Zimmer kam und uns zum Gespräch bat. Micha und ich setzten uns ihm gegenüber im Aufenthaltsraum an einen schlichten Holztisch. Er stellte sich als Onkologe vor und legte uns ein Protokoll hin, wie Vianne weiterbehandelt werden solle. Onkologe? „Ist das Ergebnis der Gewebeprobe da?“, fragte ich ihn geradeheraus. „Ja“, sagte er leicht irritiert, deswegen sei er hier, Vianne habe ein Anaplastisches Ependymom. Ein was? Was bedeutete das? Prof. N wollte uns doch über das Ergebnis informieren, warum saß dieser fremde Arzt jetzt hier? Er wollte fortfahren mit der Erklärung des Behandlungsplans. Halt, fehlte da nicht ein Schritt? „Ist der Tumor bösartig“, presste ich hervor. Ich fröstelte. Irgendwie ging er nicht so richtig auf meine Frage ein. “Ist er bösartig?“, nagelte ich ihn fest. „Ja!“, sagte er und wollte mit seiner Behandlungstabelle fortfahren. Ich nahm Vianne von meinem Schoß, setzte sie ab und schoss zur Tür raus. Uli war mit Loulou bereits im Treppenhaus. „Uli“, schrie ich panisch, weil ich nicht wusste, ob sie schon gegangen war. „Uli, er ist bösartig!“ rief ich außer mir, während mir die Tränen die Wangen runter liefen. Ich wollte aber auch Loulou nicht zu sehr erschrecken, also riss ich mich zusammen. „Uli, kannst du noch kurz hier bleiben und Vianne nehmen?“, fragte ich sie. Ohne zu zögern stieg sie die Treppen wieder hoch, nahm Vianne an die Hand und ging mit den beiden Mädchen ins Krankenzimmer, wo sie ein Buch vorlas. Jetzt konnte ich mich meinem Schmerz hingeben, ohne Vianne zu verschrecken. Ich kehrte zurück zu Micha und dem Arzt.

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