Rückblick: 13./14.
September 2012
Vianne
machte jeden Tag - dank des wieder eingeführten Schnullers, ein ausgiebiges
Mittagsschläfchen, und auch abends schlief sie spätestens um 20 Uhr. Ich hatte
viel Zeit für mich. Ich las, organisierte, schlief, telefonierte. Trotzdem war
alles so befremdlich. Während ich mit Vianne im Krankenhaus war, wechselten sich
meine Eltern und meine Schwester mit der Kinderbetreuung zu Hause ab, so dass
ich den Rücken frei hatte. Zudem hatte Micha für einen Tag die Woche ein Home-Office
genehmigt und eingerichtet bekommen - was für ein verständnisvoller
Arbeitgeber.
Die
Eintrittswunde des Broviak-Katheters war zwar gerötet, verheilte ansonsten
jedoch gut. Nur der Pflasterwechsel war eine Tortur. Mit dem Pflasterlöser ging
es dann aber doch ganz gut. Unser Arzt war klasse. Wir nennen ihn insgeheim den
Vianne-Flüsterer (in Anlehnung an den Pferde-Flüsterer). Er setzte sich mit
Vianne auf die Behandlungsliege - hinlegen wollte sie sich seit den Operationen
nicht mehr - und ging ganz behutsam auf sie ein. Irgendwann flüsterte sie, und er flüsterte zurück. Es sah
so behutsam und vertraut aus, dass mir vor Dankbarkeit die Tränen kamen. Dann
ließ sie sich den Pflasterlöser aufsprühen. Das alte Pflaster löste sich
problemlos, nach der Säuberung kam ein neues auf die Wunde. Vianne wollte nie hinschauen.
Samstagmorgen durften wir nach Hause! Endlich! Nummer eins von 16 Durchgängen
war geschafft. Es tat so gut, alle Kinder und Micha wieder um mich zu haben.
Vianne und Ada fielen sich in die Arme. „Argh! Achtung, der Broviak!“, rief
ich. Etwas Angst hatten wir davor, wie
es mit dem Broviak klappen würde. Ada war schließlich auch erst drei Jahre alt.
Wir erklärten ihr eindringlich, dass sie auf gar keinen Fall an dem Schlauch
ziehen durfte, auch nicht im Streit. Vianne war schon immer ein sehr
bewegungsfreudiges Kind gewesen. Auch jetzt ließ sie sich nicht beirren. Aus
Angst, dass sie sich den Schlauch aus Versehen selbst herausreißt, bremsten wir
sie andauernd und gerieten damit ständig unter Druck. „Vorsicht, geh langsam
die Treppe runter“, oder „Nicht auf den Bauch legen, Schatz“, oder „Achtung,
nicht so nah an Vianne, wenn ihr rangelt“. Ich konnte mich schon nach einer
Woche nicht mehr hören, denn das war nicht ich. So wollte ich auch nie werden,
so eine übervorsichtige, bemutternde Glucke, die immer gefüllte Tupperdosen
parat hält und ständig um ihr Kind herum turtelt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen