Rückblick: Donnerstag, 16.
August, kurz vor Mitternacht
Wir
gingen zügig zu unserem Auto, wir alle waren kurz vor einer Hysterie. Am Auto
angekommen, ging ein Fenster auf. „Was ist das für ein Krach dort unten?“,
schrie eine Stimme auf uns herab. Es berührte mich nicht. Nur der eine Satz
hielt mich über Wasser: „Ihre Tochter wird wieder gesund.“ Wir schafften es
ohne Unfall
zur Uniklinik. Luke und Jesse eilten mitten in der Nacht mit uns zwischen den
Unigebäuden her. Sie weinten nicht mehr. Mein Mann hatte Ada auf dem Arm, ich
Vianne. Sie wog nichts, ich wäre bis ans Ende der Welt mit ihr in meinen Armen
gerannt. Wir probierten Ruhe in die Situation zu bringen. Ob uns das gelang
weiß ich nicht. Aber die Klinik gab uns irgendwie Sicherheit. Schließlich
fanden wir den richtigen Eingang. Wir wurden nett von den Nachtschwestern in
Empfang genommen. Kurz darauf kam der Arzt. Vianne machte trotz der späten
Stunde noch gut mit bei den neurologischen Tests und den kleinen Untersuchungen.
Der Arzt schaute sich die MRT-Bilder an. Es war uns klar, dass wir hierbleiben
mussten. Ich wollte auch nicht weg, obwohl ich, wie wohl so viele andere
Menschen auch, eine natürliche Abneigung gegen Krankenhäuser habe. Auch Vianne
schien sich endlich fallenlassen zu können, als ob sie angekommen wäre. Sie
wirkte das erste Mal richtig erschöpft, ganz unabhängig von der Uhrzeit. Ihr
Unterbewusstsein schien zu sagen. „Hier darf ich jetzt richtig krank sein.“
Weißt
du, woran du merkst, dass deine Welt völlig aus den Fugen geraten ist? Ich bin
mit meiner Familie und dem Arzt gemeinsam im Fahrstuhl auf die Station
gefahren. Ich habe furchtbare Angst vorm Fahrstuhlfahren, Angst, stecken zu
bleiben und mich nicht von allein fortbewegen zu können im engen Fahrstuhlschacht.
Es war mir in diesem Moment egal. Nur Vianne zählte, dieser kleine Blondschopf
mit diesem scheußlichen, riesigen Tumor in seinem Köpfchen.
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