Rückblick: September 2012
Unendliche
Erleichterung! Vianne hatte keine Metastasen an der Wirbelsäule und es waren
auch keine Tumorzellen im Hirnwasser nachzuweisen. Zudem konnte der Tumor aus
ihrem Köpfchen komplett entfernt werden. Damit verbesserte sich ihre Prognose.
Nach dem Eingriff mussten wir zwar noch ein paar Stunden zur Beobachtung im
Krankenhaus bleiben, aber dann durften wir nach Hause fahren. Wir wollten so
viele schöne Momente wie möglich mit den Kindern verbringen, bevor wir mit der
anstrengenden Chemotherapie, zu der wir uns mittlerweile entschlossen hatten,
begannen. Den nächsten Tag verbrachten wir bei strahlendem Sonnenschein auf dem
Spielplatz. Ada und Vianne lagen gemütlich in der großen Nestschaukel und kicherten
vor Vergnügen, wenn wir sie anschubsten.
Müde
aber glücklich kehrten wir heim. Plötzlich fing Vianne an zu würgen, sie
erbrach sich mehrmals hintereinander. Zum Glück waren Andi und Ralf da, sonst
wären meine Panik und Sorge noch größer gewesen. Wieder schossen mir zahlreiche
Gedanken durch den Kopf: handelte es sich lediglich um einen Magen-Darm-Infekt?
Nein, das Würgen hörte sich irgendwie anders an. Baute sich gerade ein
Hirndruck auf oder hatten die OP oder die Lumbalpunktion irgendetwas damit zu
tun? Vianne lag ruhig auf unserem Sofa, ich hockte davor. Wir waren schon drauf
und dran, in die Klinik zu fahren, als das Würgen aufhörte. Wir trugen sie
vorsichtig in unser Bett und wachten die Nacht über sie, lauschten ihrem Atem.
Ich war erschöpft. Die Nacht war ruhig, aber gleich am nächsten Morgen erbrach
sie erneut. Bei mir gingen alle Alarmlampen an und wir fuhren sofort in die
Klinik. Das Erbrechen auf nüchternen Magen kann ein Anzeichen für gesteigerten
Hirndruck sein. Die ganze Fahrt über erbrach sie, ich betete, dass kein Stau
auf der Autobahn ist. Wir sollten stationär bleiben, zur Beobachtung. Sie wurde
untersucht und bekam Infusionen. Das Würgen hatte mittlerweile von allein
aufgehört. Die Chemo hatte noch gar nicht begonnen, und wir lagen schon das erste
Mal stationär hier. Aber egal! Vianne ging es besser, nur das zählte in diesem
Moment, die Ärzte konnten uns beruhigen. Zwar konnte keiner genau erklären, was
den Würgereiz ausgelöst hatte, aber es hatte keine schlimmere Ursache. Nur das
zählte. So verbrachten wir außerplanmäßig unsere erste Nacht auf Station. Ich
machte mir einen Kamillentee. Wir lasen unzählige Bücher, und Bücher waren die
folgenden Monate unsere ständigen Begleiter. Vianne liebt es, vorgelesen zu
bekommen, und ich lese gerne vor. In der Nacht schliefen
wir beide tief und fest, sie in ihrem Kindergitterbettchen, ich daneben in
einem großen Krankenhausbett. Ich habe selten Schlafprobleme, und auch seit
Viannes Erkrankung schlief ich fast jede Nacht tief und fest, abgesehen von der
Nacht, in der wir die Diagnose erhielten. Ich war meistens am Ende des Tages so
unglaublich erschöpft, mental wie körperlich. Die Nächte waren neben dem Laufen
meine Rückzugsorte, wo ich abschalten und verarbeiten konnte. Seltsamerweise
hatte ich nie Alpträume.
Am
nächsten Tag durften wir die Klinik schon wieder verlassen und fuhren gut
gelaunt nach Hause. Mittlerweile hatte sich ein dicker blauer Bluterguss an
ihrem Rücken, dort wo die Nadel eingeführt worden war, gebildet. Also war
anscheinend doch die Lumbalpunktion der Auslöser gewesen.
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