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14. Juni 2016

Übler Start



Rückblick: September 2012


Unendliche Erleichterung! Vianne hatte keine Metastasen an der Wirbelsäule und es waren auch keine Tumorzellen im Hirnwasser nachzuweisen. Zudem konnte der Tumor aus ihrem Köpfchen komplett entfernt werden. Damit verbesserte sich ihre Prognose. Nach dem Eingriff mussten wir zwar noch ein paar Stunden zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, aber dann durften wir nach Hause fahren. Wir wollten so viele schöne Momente wie möglich mit den Kindern verbringen, bevor wir mit der anstrengenden Chemotherapie, zu der wir uns mittlerweile entschlossen hatten, begannen. Den nächsten Tag verbrachten wir bei strahlendem Sonnenschein auf dem Spielplatz. Ada und Vianne lagen gemütlich in der großen Nestschaukel und kicherten vor Vergnügen, wenn wir sie anschubsten. 



Müde aber glücklich kehrten wir heim. Plötzlich fing Vianne an zu würgen, sie erbrach sich mehrmals hintereinander. Zum Glück waren Andi und Ralf da, sonst wären meine Panik und Sorge noch größer gewesen. Wieder schossen mir zahlreiche Gedanken durch den Kopf: handelte es sich lediglich um einen Magen-Darm-Infekt? Nein, das Würgen hörte sich irgendwie anders an. Baute sich gerade ein Hirndruck auf oder hatten die OP oder die Lumbalpunktion irgendetwas damit zu tun? Vianne lag ruhig auf unserem Sofa, ich hockte davor. Wir waren schon drauf und dran, in die Klinik zu fahren, als das Würgen aufhörte. Wir trugen sie vorsichtig in unser Bett und wachten die Nacht über sie, lauschten ihrem Atem. Ich war erschöpft. Die Nacht war ruhig, aber gleich am nächsten Morgen erbrach sie erneut. Bei mir gingen alle Alarmlampen an und wir fuhren sofort in die Klinik. Das Erbrechen auf nüchternen Magen kann ein Anzeichen für gesteigerten Hirndruck sein. Die ganze Fahrt über erbrach sie, ich betete, dass kein Stau auf der Autobahn ist. Wir sollten stationär bleiben, zur Beobachtung. Sie wurde untersucht und bekam Infusionen. Das Würgen hatte mittlerweile von allein aufgehört. Die Chemo hatte noch gar nicht begonnen, und wir lagen schon das erste Mal stationär hier. Aber egal! Vianne ging es besser, nur das zählte in diesem Moment, die Ärzte konnten uns beruhigen. Zwar konnte keiner genau erklären, was den Würgereiz ausgelöst hatte, aber es hatte keine schlimmere Ursache. Nur das zählte. So verbrachten wir außerplanmäßig unsere erste Nacht auf Station. Ich machte mir einen Kamillentee. Wir lasen unzählige Bücher, und Bücher waren die folgenden Monate unsere ständigen Begleiter. Vianne liebt es, vorgelesen zu bekommen, und ich lese gerne vor. In der Nacht schliefen wir beide tief und fest, sie in ihrem Kindergitterbettchen, ich daneben in einem großen Krankenhausbett. Ich habe selten Schlafprobleme, und auch seit Viannes Erkrankung schlief ich fast jede Nacht tief und fest, abgesehen von der Nacht, in der wir die Diagnose erhielten. Ich war meistens am Ende des Tages so unglaublich erschöpft, mental wie körperlich. Die Nächte waren neben dem Laufen meine Rückzugsorte, wo ich abschalten und verarbeiten konnte. Seltsamerweise hatte ich nie Alpträume.
Am nächsten Tag durften wir die Klinik schon wieder verlassen und fuhren gut gelaunt nach Hause. Mittlerweile hatte sich ein dicker blauer Bluterguss an ihrem Rücken, dort wo die Nadel eingeführt worden war, gebildet. Also war anscheinend doch die Lumbalpunktion der Auslöser gewesen.




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