Echtzeit! 23. September 2014
Wieder zuhause! Was gibt es mehr dazu zu sagen. Eigentlich war der morgige Mittwoch im
Gespräch. Micha löste mich mittags ab und meinte, ob wir vielleicht schon heute
mit Vianne nach Hause könnten. Also fragten wir bei den Schwestern nach (die morgendliche
Visite hatten wir irgendwie im Spielzimmer verpasst). "Ja, das wäre schon
im Gespräch gewesen, die Ärzte wollten aber erst noch das Blutergebnis
abwarten." Wenn die Werte soweit in Ordnung seien, könnten wir am späten
Nachmittag fahren. Morgens hatte eine nette junge Ärztin Vianne aus der Vene
Blut entnommen. Sie hatte einen schweren Stand, denn Vianne war panisch. Das hatte
die "gute Frau" aus der Kinderklinik versaut, die vor einer Woche
beinahe vergeblich nach einer Vene gestochert hatte, obwohl es bei Vianne an
sich nicht schwer ist, eine geeignete zu finden. Da trennt sich wahrlich
die Spreu vom Weizen. Aber die Ärztin heute beherrschte zum Glück ihr Handwerk
und traf auf Anhieb. "Tat gar nicht weh", sagte Vianne im nach hinein,
noch mit Tränchen auf den Wangen. Auch sie kennt bereits die unterschiedlichen
Fähigkeiten und weiß, dass ein Arzt nicht ebenso gut ist wie der andere. Am
Nachmittag erhielten wir grünes Licht. Ich war zwischenzeitlich schon nach
Hause gedüst. Auf dem Weg zum Auto hätte die Vorfreude eigentlich groß sein
müssen. "Hey, Vianne durfte wahrscheinlich nach Hause!"
War
sie aber nicht. Ich stellte mir all die Eltern vor, die sich fröhlich befreit
mit ihrem Kind auf den Heimweg machten. Mit einem geheilten Kind. Wir waren nicht
wie sie. Wir waren nicht fröhlich befreit. Ganz tief in mir erinnerte ich mich
an das Gefühl, wie einem das Herz vor Leichtigkeit aus der Brust springt. Ich
hatte so Sehnsucht nach diesem Gefühl, aber die Erinnerung daran war
mittlerweile so blass und durchscheinend geworden. Ich schüttelte die trüben
Gedanken ab und konzentrierte mich darauf, Ada aus dem Kindergarten abzuholen
und die Jungs Zuhause zu begrüßen. Einige Stunden später machte ich mich wieder
mit Ada auf den Weg nach Essen in die Uniklinik, um Micha und Vianne abzuholen.
Ada rannte den Krankenhausflur entlang, als sie Vianne am anderen Ende
erspähte. Dann umarmten sich beide ganz vorsichtig. Und da blitzte sie durch,
die Freude, die Wärme, das Glück. Micha und ich packten in Ruhe, Ada und Vianne
spielten derweil lautstark mit den neuen Mini-Püppchen. Dann verabschiedeten
wir uns von unseren netten Bettnachbarn: der neunjährigen C. und ihren Eltern.
Den Tag zuvor hatte mir Vianne ebenso neugierig wie nüchtern ins Ohr
geflüstert: "Mama, frag mal, ob sie auch einen Tumor hat." Ich habe
natürlich nicht gefragt. Ich war absolut baff, dass Vianne wusste, dass ihr
"frecher Wicht" ein Tumor ist. Wir müssen aufhören, sie zu
unterschätzen. Langsam wachsen Freude und Erleichterung, wieder Daheim zu sein -
weil Vianne sich freut und weil wir wieder alle zusammen sind. Hier und Jetzt.
Weg mit dem Ballast!