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17. Juli 2016

Der Abend davor...



Echtzeit! 15. September 2014

Es sind nur noch zehn Stunden bis zur Operation. Vianne schläft. Ich bin leer. Ich habe keine Tränen mehr. Ich habe keine Worte mehr. Es ist ihre 6. Operation in nur zwei Jahren: zweimal am Hirn, dreimal im Brustbereich für die Broviak-Implantation bzw. -Entfernung und morgen nun am Rücken. Sie werden einen langen Schnitt machen müssen, sie werden Muskelgewebe lösen müssen, um an die Wirbelkörper zu kommen, sie werden zwei Wirbel und die Dura (die harte Hirnhaut, die das Rückenmark umschließt) aufschneiden müssen, um bis zum Tumor vorzudringen. "Sie wird nach der Operation größere Schmerzen haben als nach der Hirn-OP", erklären die Ärzte. Ich will nicht, dass sie Schmerzen hat. Ich will nicht, dass sie Angst hat. Ich will nicht, dass sie danach beeinträchtigt ist. Ich will diese Krankheit nicht. Aber ich will auch nicht, dass der Tumor weiter wachsen kann und das Rückenmark schädigt. Also sehen wir die Operation als Chance und hoffen von Herzen, dass sie sie ohne größere Folgen übersteht. Wir wollen ihr Lebenszeit verschaffen, auch wenn wir ihr dafür wehtun müssen. Deswegen machen wir das. Die Ärzte würden sie nicht operieren, wenn sie keinen Sinn darin sehen würden, das betonen sie. Ich habe Angst, tief verwurzelte, zähe, ursprüngliche Angst. Ich habe Angst, dass sie morgen sterben wird. Ich habe Angst, dass sie gelähmt sein wird. Und ich weiß nicht, was mir mehr Angst macht. Nur mal angenommen, es geht morgen alles gut: Was ist dann? Dann müssen Bestrahlung und Chemo folgen, mit all den Nebenwirkungen und Schädigungen. Und was ist dann? Wächst trotz aggressivster Behandlung ein neuer Tumor? Warum kann sie nicht allein durch die Operation geheilt sein? Ich habe das Gefühl, es wird nie vorbei sein, ganz gleich ob Vianne siegt oder ihre entarteten Zellen die Oberhand gewinnen. Aber wir haben nicht vor zu Fallen und liegen zu bleiben: Wir werden aufstehen (Danke, Andi!), immer und immer wieder. Das muss unser Ziel sein. Deshalb: Einen Schritt nach dem anderen, einen Tag nach dem anderen. Noch 9 Stunden bis zur OP. Ich werde sie noch ein wenig betrachten und das Hier und Jetzt genießen. Wilhelm Busch (ich habe seine Geschichten und Gedichte von klein auf geliebt) wird dabei helfen:

"Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor."

All ihr Lieben dort draußen: wir danken euch von Herzen für eure aufmunternden, fürsorglichen und wohltuenden Worte. Ihr denkt immer, ihr könnt nicht helfen. Dabei helft ihr mehr, als euch bewusst ist: Ihr seid für uns da!


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