Echtzeit! Freitag, 12.
September 2014
Es
ist halb elf, Micha und ich sind auf dem Weg in die Uniklinik Essen. Wir haben
kurzfristig einen Gesprächstermin mit dem Neurochirurgen bekommen, der Vianne
vor nur acht Wochen! am Hirn operiert hat. Es ist seltsam, das Klinikgelände zu
betreten. Es kommt mir vor, als ob wir in der Zeit zurückkatapultiert werden.
"Bitte lass den Arzt da sein, bitte lass keine Notoperation dazwischen
gekommen sein." Wir brauchen das Gespräch heute, um möglichst schnell
alles in die Wege zu leiten, bevor der Tumor das Rückenmark schädigt. Wir
werden nach ganz kurzer Wartezeit aufgerufen. Es tut gut, Prof. S zu sehen. Er
sagt von Anfang an die richtigen Worte. Auch er ist betroffen, dass wir uns
nach so kurzer Zeit unter diesen Umständen wiedersehen. Nachdem geklärt ist,
dass die Onkologen zur Operation raten, gibt auch er uns grünes Licht. Er operiert
sie. Am Dienstag - kurz bevor er zu einem mehrtägigen Kongress aufbrechen muss.
Puh, gerade noch rechtzeitig! Ich hätte nicht gewollt, dass ein anderer Arzt
sie operiert. Prof. S. hat seine Sache schon beim ersten Mal hervorragend
gemacht. Ich vertraue ihm. Er schaut sich die MRT-Bilder der Wirbelsäule an.
Das Ding verbirgt sich hinter Wirbel 7.1., ungefähr in Kinnhöhe. Der
Neurochirurg will vom Rücken her daran, durch den Brustbereich ist es zu
gefährlich, das Rückenmark liegt im Weg. Wie bereits vor der ersten OP erklärt
er uns anschaulich, wie er vorgehen will. Er zeigt uns zum besseren Verständnis
Schaubilder. Er macht uns Mut. Er spricht von einer günstigen Lage. Er erzählt
von einem Mädchen, das ebenfalls mehrere Rückfälle
hatte - und heute, rund zehn Jahre später - lebt, ohne wahnsinnige
Einschränkungen. Und er sagt noch etwas: "Nicht aufgeben!" Wir
verlassen etwas erleichterter, als wir gekommen sind, die Uniklinik. Am Montag
werden wir stationär aufgenommen. Sollte Vianne am Wochenende Ausfälle oder
andere Auffälligkeiten
zeigen, sollen wir sofort kommen, dann verlegt er die Operation vor.
Es ist
immer noch alles so surreal, Vianne sieht nicht krank aus. Gleich hat sie zum
ersten Mal ihren Schwimmkurs... Sie freut sich so sehr darauf. Gestern Morgen,
kurz vor dem Aufstehen, lagen Ada und sie ganz eng aneinandergekuschelt im Bett
- sie spüren es.
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