Rückblick: Mai/Juni 2013
Wir
waren auf der Zielgeraden. Der letzte Zyklus konnte beginnen. Einmal mussten
wir noch Cyclophosphamit und Vincristin, einmal noch Carboplatin und Etoposid
bekommen: machte alles in allem noch einmal acht Tage Krankenhaus, plus einen
sehr wahrscheinlichen "Fieberaufenthalt" nach der Platingabe. Vianne
ging es noch immer relativ gut. Die Chemo hatte sie zwar ausgezehrt (Prof. S.:"Vianne
ist dünn geworden"), aber nicht in die Knie gezwungen. Das Carboplatin
hatte bisher keine Hörschädigung verursacht, das Vincristin keine Nervenschäden
in den Extremitäten. Wir lagen im Zeitplan, denn die Bestrahlung sollte laut
Protokoll zeitnah an die Chemo anknüpfen. Wir waren so voller Zuversicht. Das
Fieber kam dieses Mal eher. Egal. Wir hatten die Schweiz vor Augen. Von der
Bestrahlung versprachen wir uns eine Heilung. Also noch einmal alles geben, um
dieses Etappenziel zu erreichen. Vianne malte bunte Bilder im Krankenhaus,
knetete mit unserer Kunsttherapeutin eifrig Ton, sang mit der Musiktherapeutin "Pippi-Langstrumpf-Lieder",
verhedderte sich mit ihrem Infusionsschlauch in dem roten Drehsessel im Spielzimmer
und lachte, während ich einen Befreiungsversuch startete.
Das
Wetter spürte anscheinend unsere Zuversicht und legte sich mächtig ins Zeug.
Wir bauten Zuhause die Wasserspritz-Blume auf, die Ada und Vianne von ihren
kleinen Freunden zum Geburtstag geschenkt bekommen hatten. Wir verklebten den
Broviak-Zugang und statteten Vianne noch zusätzlich mit einem Regenschirm
aus, damit sie (etwas geschützter) unter der Wasserfontäne herlaufen konnte. Wir
wurden mutiger und füllten den Pool. Sie rutschte vor Vergnügen jauchzend ins
Wasser. Perfekt! Andi und ich machten mit den Mädels im Anhänger eine
Fahrradtour zur Ruhr, schauten den Pferden zu und warfen Steine
in den Fluss.
Vianne hatte mittlerweile weder Augenbrauen noch Wimpern - es war
befremdlich. Ihre Lebensenergie erstickte jedoch jeden Zweifel im Keim. Wie
erwartet kam nach dem Carboplatin das Fieber: Wir telefonierten mit Dr. B.
wegen der Blutergebnisse: "Vianne hat einen hohen CRP (Entzündungswert),
Sie müssen stationär kommen." Er hatte wohl erwartet, dass wir wieder
Einwände hatten. So kannte er uns schließlich. Er wusste, dass wir uns mit
jedem Extra-Aufenthalt schwer taten. "Wir kommen sehr gerne", hörte
ich mich verschmitzt sagen (ich wusste schließlich, dass wir das letzte Mal
wegen "Chemo-Fieber" in die Klinik fuhren). Kurze Pause am Telefon. Dann
lachte er lauthals, wie ich ihn noch nie lachen gehört hatte. Oh ja, nach einem
dreiviertel Jahr Chemotherapie war das Leben kunterbunt!
Nur
noch ein (vorgezogenes) MRT stand uns im Weg, bevor wir zur Behandlungsvorbereitung in die Schweiz konnten.
Am Dienstag, 18. Juni, hatten wir mehr Angst (falls das überhaupt noch möglich
war) vor dem Ergebnis als jemals
zuvor.
Auszug
aus dem Arztbrief:
"Am
18.06.2013 wurde bei Vianne ein MRT des Schädels zur Verlaufskontrolle
durchgeführt. Das MRT zeigte erfreulicher Weise keinen Hinweis auf ein Rezidiv
der Grunderkrankung....Bei Vianne ist nach Beendigung der intensiven
Chemotherapie protokollgemäß eine lokale Schädelbestrahlung vorgesehen....Für
die Therapieplanung wird sich Vianne mit ihren Eltern erstmals am 24.06.2013 am
PSI (Paul-Scherrer-Institut) vorstellen. Ab dem 15.07.2013 ist dann die
Durchführung der Therapie unter Narkose für voraussichtlich insgesamt 6 Wochen
vorgesehen."
Schweiz,
wir kommen! Nach 86 Tagen stationärem Krankenhausaufenthalt, nach unzähligen Granulozytenspritzen,
nach 13 Bluttransfusionen, nach mehrmals wöchentlich stattfindenden ambulanten Kontrollterminen,
nach 16 Chemotherapiedosen in fünf Zyklen, nach drei Operationen, nach sieben MRTs...
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