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11. Juli 2016

Kunterbunt



Rückblick:  Mai/Juni 2013


Wir waren auf der Zielgeraden. Der letzte Zyklus konnte beginnen. Einmal mussten wir noch Cyclophosphamit und Vincristin, einmal noch Carboplatin und Etoposid bekommen: machte alles in allem noch einmal acht Tage Krankenhaus, plus einen sehr wahrscheinlichen "Fieberaufenthalt" nach der Platingabe. Vianne ging es noch immer relativ gut. Die Chemo hatte sie zwar ausgezehrt (Prof. S.:"Vianne ist dünn geworden"), aber nicht in die Knie gezwungen. Das Carboplatin hatte bisher keine Hörschädigung verursacht, das Vincristin keine Nervenschäden in den Extremitäten. Wir lagen im Zeitplan, denn die Bestrahlung sollte laut Protokoll zeitnah an die Chemo anknüpfen. Wir waren so voller Zuversicht. Das Fieber kam dieses Mal eher. Egal. Wir hatten die Schweiz vor Augen. Von der Bestrahlung versprachen wir uns eine Heilung. Also noch einmal alles geben, um dieses Etappenziel zu erreichen. Vianne malte bunte Bilder im Krankenhaus, knetete mit unserer Kunsttherapeutin eifrig Ton, sang mit der Musiktherapeutin "Pippi-Langstrumpf-Lieder", verhedderte sich mit ihrem Infusionsschlauch in dem roten Drehsessel im Spielzimmer und lachte, während ich einen Befreiungsversuch startete.

Das Wetter spürte anscheinend unsere Zuversicht und legte sich mächtig ins Zeug. Wir bauten Zuhause die Wasserspritz-Blume auf, die Ada und Vianne von ihren kleinen Freunden zum Geburtstag geschenkt bekommen hatten. Wir verklebten den Broviak-Zugang und statteten Vianne noch zusätzlich mit einem Regenschirm aus, damit sie (etwas geschützter) unter der Wasserfontäne herlaufen konnte. Wir wurden mutiger und füllten den Pool. Sie rutschte vor Vergnügen jauchzend ins Wasser. Perfekt! Andi und ich machten mit den Mädels im Anhänger eine Fahrradtour zur Ruhr, schauten den Pferden zu und warfen Steine in den Fluss. 
Vianne hatte mittlerweile weder Augenbrauen noch Wimpern - es war befremdlich. Ihre Lebensenergie erstickte jedoch jeden Zweifel im Keim. Wie erwartet kam nach dem Carboplatin das Fieber: Wir telefonierten mit Dr. B. wegen der Blutergebnisse: "Vianne hat einen hohen CRP (Entzündungswert), Sie müssen stationär kommen." Er hatte wohl erwartet, dass wir wieder Einwände hatten. So kannte er uns schließlich. Er wusste, dass wir uns mit jedem Extra-Aufenthalt schwer taten. "Wir kommen sehr gerne", hörte ich mich verschmitzt sagen (ich wusste schließlich, dass wir das letzte Mal wegen "Chemo-Fieber" in die Klinik fuhren). Kurze Pause am Telefon. Dann lachte er lauthals, wie ich ihn noch nie lachen gehört hatte. Oh ja, nach einem dreiviertel Jahr Chemotherapie war das Leben kunterbunt!

Nur noch ein (vorgezogenes) MRT stand uns im Weg, bevor wir zur Behandlungsvorbereitung in die Schweiz konnten. Am Dienstag, 18. Juni, hatten wir mehr Angst (falls das überhaupt noch möglich war) vor dem Ergebnis als jemals zuvor.

Auszug aus dem Arztbrief:

"Am 18.06.2013 wurde bei Vianne ein MRT des Schädels zur Verlaufskontrolle durchgeführt. Das MRT zeigte erfreulicher Weise keinen Hinweis auf ein Rezidiv der Grunderkrankung....Bei Vianne ist nach Beendigung der intensiven Chemotherapie protokollgemäß eine lokale Schädelbestrahlung vorgesehen....Für die Therapieplanung wird sich Vianne mit ihren Eltern erstmals am 24.06.2013 am PSI (Paul-Scherrer-Institut) vorstellen. Ab dem 15.07.2013 ist dann die Durchführung der Therapie unter Narkose für voraussichtlich insgesamt 6 Wochen vorgesehen."

Schweiz, wir kommen! Nach 86 Tagen stationärem Krankenhausaufenthalt, nach unzähligen Granulozytenspritzen, nach 13 Bluttransfusionen, nach mehrmals wöchentlich stattfindenden ambulanten Kontrollterminen, nach 16 Chemotherapiedosen in fünf Zyklen, nach drei Operationen, nach sieben MRTs...







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