Rückblick: Oktober 2012
Lange
haben wir uns schwer getan, eine Entscheidung zu treffen. Aber nachdem wir sie
getroffen hatten, ging es uns besser. Wir sind ohne Vianne nach Mallorca
geflogen, allerdings in wechselnden Kombinationen. Die erste Woche flog ich
gemeinsam mit Andi und den Kindern, während Micha bei Vianne blieb. Der nächste
Krankenhausaufenthalt, der Chemo-Block mit MTX - stand an. Eine Woche später
flog ich samstags allein zurück, Andi hielt gemeinsam mit Ralf, der in der
Wochenmitte nachgekommen war, die Stellung. Micha flog ganz früh am
Sonntagmorgen nach Mallorca, so konnten wir uns zumindest den Samstag
austauschen. Ralf flog in der Mitte der zweiten Woche wieder nach Hause, Andi,
Micha und die Kinder folgten am darauffolgenden Wochenende. Na, alles
verstanden? So turbulent wie unsere wechselnden Kombinationen waren auch diese
zwei Wochen. Und trotzdem: es tat gut, unglaublich gut. Es fühlte sich so
lebendig an – das Meer, das Licht, die Luft.
Wir
hatten Vianne vorher erklärt, dass ein Teil der Familie wegfahren würde. Wir
wollten sie nicht anlügen. Gleichzeitig gaben wir ihr das Versprechen, dass wir
mit ihr ans Meer fliegen werden, sobald es möglich ist. Seltsamerweise
beschwerte sie sich gar nicht und wirkte auch nicht traurig, dass sie nicht
mitkommen konnte. Beim Abschied musste ich mich stark zusammenreißen. Ich hatte
so ein schlechtes Gewissen! Micha machte mir Mut, verwies auf mein Bauchgefühl,
das mir die ganze Zeit sagte, dass es die richtige Entscheidung sei.
Meine
Eltern unterstützten die beiden zudem. Vianne war glücklich, dass sie Oma und
Opa exklusiv für sich hatte. Aber wie sollte ich Urlaub machen, während meine
kleine Tochter im Krankenhaus lag? Ich hielt mir vor Augen, dass ich im Notfall
innerhalb weniger Stunden bei ihr sein konnte, falls nötig. Das beruhigte. Und den
ersten MTX-Block hatte sie ja auch gut vertragen. Also ab ins Flugzeug. Trotz
der Umstände packte mich das Reisefieber, dieses Kribbeln, das ich immer beim
Aufbruch verspüre. In der Nacht ging es los, da wir ganz früh morgens ab
Hannover flogen. Bereits gegen 7 Uhr landeten wir auf der Insel, holten unsere
beiden Mietwagen und machten uns auf den Weg zu unserem Ferienhaus in Cala
Llombards. Wir waren etwas geschafft, aber voller Vorfreude. Die Sonne lachte
vom Himmel. Uns verging kurze Zeit später das Lachen, als wir unser Häuschen
genauer unter die Lupe nahmen. Bei der Übergabe durch den Verwalter, Marco, einem
netten Mann von den niederländischen Antillen, sah alles noch ganz passabel
aus. Allerdings waren die Fensterläden noch zu. Bei genauerem Hingucken
bemerkten wir, in welchem Dreckloch wir gelandet waren.
Die
Betten waren nicht frisch bezogen, lange schwarze Haare auf dem Klodeckel,
verschimmelte Kopfkissen, fettige Töpfe. Irgendwie roch das gesamte Haus nach
Schimmel. Wir hatten fast Angst, dass uns die Wollmäuse auffraßen. Tapfer
schlug meine Schwester vor, schnell ein paar Putzutensilien zu kaufen und die Bude
auf Vordermann zu bringen. Aber wer mich kennt, weiß meine Antwort: „Auf gar
keinen Fall!“ Ich rief umgehend Marco an, der sich wiederum mit dem belgischen
Vermieter in Verbindung setzte. Danach gab’s ein ewiges Hin- und
Her-Telefoniere. Scheiße, was heißt verschimmeltes Kopfkissen auf Englisch?
Wenn’s mal wirklich darauf ankommt, fehlt einem das Alltagsvokabular, da hilft
es auch nicht weiter, wenn man Shakespeare interpretieren kann. Der Vermieter nahm
sich keiner Sache an, wurde pampig, ich bekam mein Geld wieder und wir
verließen das Haus - und standen auf der Straße. Und nun? Zum Glück hatten wir
Marco auf unserer Seite, der sehr hilfsbereit war, einer von vielen Menschen,
die mich beeindruckt haben. Er war so
uneigennützig liebenswert und strahlte dabei eine Lebensweisheit aus, die ich
wohl nie erreichen werde. Den Kindern war mittlerweile heiß, sie hatten Hunger,
quengelten. Marco schickte uns erst mal in ein nettes Restaurant - es war schon
Mittag - nahm Kontakt zu einer weiteren Kundin auf und vermittelte uns zwei Ferienwohnungen
in einer privaten Anlage in der Nähe. Eigentlich lagen die Wohnungen preislich
über unserem Budget, Marco sorgte aber dafür, dass wir sie zum gleichen Preis
wie unser Ferienhaus bekamen. Die Anlage war spitze!
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