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14. Juni 2016

Fast normal



Rückblick: weitere drei Tage


Alles in allem tat die Lebendigkeit unserer Umgebung und vor allen Dingen das Meer in unmittelbarer Nähe unseren geschundenen Seelen unbeschreiblich gut. Schon immer war ich ein ausgesprochener „Atmosphären-Mensch“ gewesen. Trost spendete ein wunderschöner alter botanischer Garten, angrenzend an

das Klinikgelände. Dort verbrachte ich viel Zeit mit Nachdenken inmitten der grünen Sträucher, bunten Blumen und prächtigen Trauerweiden. Jeden Tag nahmen Micha und ich uns abwechselnd eine Auszeit, in der jeder dem Krankenhaus einen Moment entfliehen und für sich sein konnte, um Kraft zu tanken. Im Krankenhaus spielten und lasen wir viel mit Vianne. Die Schwestern, Pfleger und Ärzte waren alle so liebenswert. Ein Pfleger von der gegenüberliegenden Station zeigte Vianne ein Aquarium im Aufenthaltsraum, um das er sich kümmerte. Und Daniela brachte irgendwann ein knallrotes Bobby-Car vorbei, mit dem Vianne laut lachend über den Flur flitzte. Sie machte von Tag zu Tag Fortschritte.

Meine liebe Freundin Uli besuchte uns mit Loulou, ihrer Tochter. Es schien mir Ewigkeiten her, dass wir in ihrem Gehöft unseren Urlaub verbracht hatten. Vianne tat es gut, nach all den vielen Erwachsenen ihre “große“ Freundin um sich zu haben. Loulou war bereits „Vorschulkind“. Und mir tat Uli gut. Sie brachte einen selbstgebackenen Apfelkuchen mit, die Äpfel stammten aus dem eigenen Garten. Was für eine liebe Geste, es hatte so viel von Geborgenheit und Wohlfühlen, aber ich bekam keinen Bissen runter. Später erzählte mir meine Freundin, wie schlecht sie sich im Nachhinein gefühlt habe, dass sie uns diesen „Heile-Welt-Apfelkuchen“ mitgebracht hat. So ein Blödsinn, es war eine sehr, sehr liebe Geste. Sie gab und gibt uns so viel Halt. Sie hat das richtige Maß an Einfühlungsvermögen, sie strahlt Ruhe aus, hört genau hin und gibt gute, wohl überlegte Denkanstöße. Wir können gemeinsam weinen und lachen und verstehen uns auch ohne Worte. Als ich sie kurz nach Viannes Befund anrief, weinten wir beide leise. Und nun lachten wir gemeinsam, während unsere Mädels auf der Seeschlange an der Promenade ritten. Sie hatte Angst vor diesem Besuch gehabt, denn sie wusste nicht, was sie erwartete. Sie war erleichtert, als sie Vianne mit eigenen Augen sah, eben diesen kleinen „Wildfang“, den sie in Erinnerung hatte. Loulou hatte ihr Malstifte und Bücher mitgebracht und ihre Schmetterlingsaufkleber. Die haben uns seitdem bei jedem Krankenhausaufenthalt begleitet, denn die Schmetterlinge lassen sich problemlos aufkleben und wieder abziehen. Dieser Tag gaukelte uns ein wenig vertrauten, wohltuenden Alltag vor.





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