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14. Juni 2016

Anaplastisches Ependymom



Rückblick: Noch in Kiel/ August 2012

Ein Anaplastisches Ependymom WHO Grad III ist ein hirneigener Tumor, der aus den Ependymzellen, die die Hirnventrikekel auskleiden, entsteht. Es gibt mehrere Subtypen: Grad I ist ein langsam wachsender Tumor, der als gutartig eingestuft wird, Grad II ist ebenfalls noch gutartig, kann sich aber zu einem schnell wachsenden verändern. In diesen beiden Fällen folgen nach der Operation lediglich in zeitlichen Abständen MRT-Kontrollen. Grad III, die anaplastische Variante, ist bösartig, die Zellen sind entartet und teilen sich schnell, so dass auch das Tumorwachstum rasant ist. Bei Grad III muss auch nach einer erfolgreichen OP mit kompletter Tumorentfernung nachbehandelt werden, denn die Erfahrung aufgrund jahrzehntelang gesammelter Daten im Rahmen von Therapie-Optimierungsstudien hat gezeigt, dass der Tumor in vielen Fällen wieder wächst und die Überlebenschancen rapide sinken. Ein wirklich gefährliches und hinterhältiges „A-loch“, dieses anaplastische Ependymom!
Die aktuelle Studie HIT (für Hirntumor) 2000 Ependymom war gerade Ende 2012 abgeschlossen worden. Sie sah für die Unter-Vierjährigen eine vorgeschobene Chemotherapie in fünf Blöcken (16 Gaben) vor und daran sich anschließend eine circa sechswöchige Bestrahlung. Für uns käme das Interimsprotokoll, ein sogenanntes Übergangsprotokoll, zum Tragen, das die gleiche Behandlung vorsieht. Denn bis eine neue Studie geöffnet wird, kann es noch eine gewisse Zeit dauern, da die Auswertung der Daten einige Zeit in Anspruch nimmt. Zudem müssen Ethikkommissionen die neue Studie erst genehmigen, das kann ebenfalls einige Zeit dauern. Diese Sorgfalt ist meiner Meinung nach auch ganz wichtig bei solch schwerwiegenden Krankheiten, denn niemand möchte zum Versuchskaninchen werden, sondern auf Basis versierter Daten behandelt werden. Die neue Studie soll voraussichtlich 2015 anlaufen. Wir aber waren in einer Zwickmühle. Es gab schon Erkenntnisse aus der HIT 2000 Studie, wir durften sie allerdings noch nicht nutzen, da die neue Studie noch nicht eröffnet war. Aber wir wollten natürlich nach neuesten Erkenntnissen behandelt werden. Also nahmen wir telefonisch Kontakt zur Studienleitung in Hamburg auf. Der zuständige Onkologe nahm sich gleich Zeit für uns und konnte uns beruhigen, dass keine gravierenden Veränderungen bevorstehen würden. Während man von der Bestrahlung wusste, dass sie zur Heilung führen kann, war der Nutzen der Chemotherapie umstritten. Bei Kindern unter vier Jahren sei die vorgeschobene Chemotherapie aber wichtig, um den Bestrahlungszeitpunkt so weit wie möglich nach hinten zu verschieben, am besten bis zum Alter von vier Jahren, da gerade das frühkindliche Gehirn extrem auf die Bestrahlung - mit all seinen schlimmen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen - reagieren würde. Na super! Wieder mussten Micha und ich in kurzer Zeit eine wichtige Entscheidung für unsere Tochter treffen. Denn das Protokoll sah vor, dass wir spätestens drei Wochen nach OP mit der Chemotherapie beginnen sollen. Allein schon bei dem Wort Chemotherapie sah ich zerbrechliche, durchschimmernde, fahl-blasse Kinder ohne Haare vor mir, die sich andauernd übergeben müssen. Mir wurde übel. Ich schaute meine süße Tochter an, die gerade heimlich und genüsslich die Schokocreme aus den kleinen Frühstücks-Schächtelchen schleckte - natürlich ohne Brot dazu. Sie sah doch schon wieder so gesund aus. Sie sollte Krebs haben? Krebs hatten doch immer nur die anderen, der Sohn von entfernten Bekannten von Freunden. Aber doch nicht wir. Vianne erholte sich doch so gut. Als sie schlief, schauten wir im Internet nach Infos zum „Anaplastischen Ependymom“. Die Ärzte hatten uns zwei seriöse Seiten empfohlen und uns geraten, nicht irgendwelche Krebsforen im Internet zu besuchen. Ein weiser Rat, an den wir uns auch erst einmal hielten. Dass bestrahlt werden muss war für Micha und mich klar, wegen der Chemotherapie waren wir beide aber unsicher. Wir wollten später eine Entscheidung treffen und erst einmal mehr Informationen sammeln. Was wir aber schon jetzt intuitiv wussten: uns allen stand eine sehr lange, schmerzhafte und entbehrungsreiche Zeit bevor. Wir brauchten so viel Hilfe, wie wir kriegen konnten.



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