Rückblick: Donnerstag, 23. August 2012
Es
stellte sich heraus, dass der Onkologe, der uns mit seinen Behandlungsplänen
überfallen hatte, Prof. N. zuvorgekommen war. Und der konnte es noch immer
nicht fassen, dass es sich um ein „Anaplastisches Ependymom“
handeln sollte. „Ich habe den Tumor, seine Struktur, doch mit eigenen Augen
gesehen“, murmelte er nachdenklich vor sich hin. Auch die Tumorlage sprach eher
für eine andere Tumorart. Dann erzählte er uns einiges über „Anaplastische
Ependymome“. Wir sollten auf alle Fälle erst noch einmal den Referenzbefund aus
Bonn abwarten. Es könne allerdings ein paar Tage dauern, bis das Ergebnis da
sei. Wieder hieß es also warten. Die Schwestern und Pfleger fragten, ob wir mit
einer Psychologin sprechen wollten, es gebe extra für diese Situation geschulte
Fachkräfte. Gerne nahm ich das Angebot an, Micha wollte nicht. Ich allerdings
brauchte Hilfe, um nicht durchzudrehen. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich
das Gefühl, nicht allein mit einer Situation zurechtzukommen. Kurze Zeit später
kam eine sehr gepflegte, sympathische und einfühlsame Frau zu mir. Ich
beschwerte mich unter Tränen über den Onkologen oder eher gesagt über seine
unsensible Herangehensweise an das Thema. Ich bin
ein Freund offener Worte, ich bevorzuge den geradlinigen Weg und klare
Aussagen. Aber nicht auf so ungeschickte Art und Weise. Ich weigerte mich, auch
nur noch ein einziges Mal mit diesem Mann zu reden. Die Psychologin schlug vor,
vorab mit dem Arzt zu sprechen und danach in ihrem Beisein einen erneuten Gesprächsversuch
zu starten, da er ein äußerst kompetenter und geschätzter Kollege und Fachmann
auf dem Gebiet sei. Wir willigten ein. Und dieses Mal ging der Onkologe sensibler
vor. Er entschuldigte sich zuerst. Dann klärte er uns über die Art des Tumors
auf, erläuterte die Wichtigkeit einer Weiterbehandlung. Dazu habe er schon
Kontakt zu dem Leiter der Kinderklinik Dortmund aufgenommen. Er erklärte uns,
dass die Kinder deutschlandweit nach einheitlichen Studien behandelt würden.
Die Behandlung richtet sich zum einen nach dem Alter des Kindes, ob der Tumor
komplett entfernt werden konnte und ob Metastasen im Rückenmarkskanal vorhanden
oder versprengte Tumorzellen im Hirnwasser nachzuweisen sind. Diese dazu erforderlichen
Untersuchungen, eine Lumbalpunktion sowie ein MRT des Spinalkanals, würden in
den nächsten Tagen anstehen, entweder in Kiel oder direkt in der Klinik, in der
Emma (sie heißt Vianne!) weiterbehandelt werden soll. Wir wollten die beste
Klinik, die erfahrensten und sympathischsten Ärzte für unsere Tochter, deswegen
wollten wir uns nicht gleich auf eine Klinik festlegen, sondern uns vor Ort
einen eigenen Eindruck verschaffen. Gut, dass das Ruhrgebiet so gut bestückt
ist mit Kliniken. Für uns kamen also mehrere Adressen in Frage. Wir hatten
Dortmund und Essen im Fokus. Die Kieler stellten sogleich den Kontakt zu beiden
Kliniken und den entsprechenden Ansprechpartnern her.
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