Gesamtzahl der Seitenaufrufe

1. November 2016

Wiederholung



Echtzeit!  20. November 2014

Das Leben besteht aus Wiederholungen, aus Déja-vus. Morgen gibt es solch eine Wiederholung: das MRT für den unklaren Wirbelbereich steht an. Und all die Ängste und Sorgen in den Stunden davor kommen mir so vertraut vor. Noch hält sich diese Unruhe in Grenzen, spätestens morgen früh wird sie wie eine große Welle über uns hinwegschwappen. Vianne weiß noch nichts von diesem Termin. Ich fand heute nicht den richtigen Zeitpunkt. Ihr Verhalten glich heute einer emotionalen Achterbahnfahrt. Mal ist sie überdreht, quasselt am laufenden Band, gibt von allem ein bisschen "too much". Kurz darauf ist sie emotional so wackelig wie eine Hängebrücke. Wenn ihr jemand nicht auf Anhieb zuhört oder ein anderer dazwischenquatscht, fängt sie an zu schreien. Ihre Hemmschwelle ist niedrig. Wenn Ada nicht genau das spielen will, was sich Vianne ausgedacht hat, wird sie wütend und weint. Bei jedem Toilettengang beschwert sie sich lautstark, dass Ada ohne sie weiterspielen würde. Ich bin hin- und hergerissen, inwieweit ich sie maßregeln soll. Ich probiere ruhig zu bleiben und zu berücksichtigen, dass sie scheinbar mental zu kämpfen hat. Sie wirkt in einigen Situationen so verzweifelt. Andererseits ist sie eine starke Persönlichkeit und braucht, ebenso wie ihre Schwester, klare Grenzen. Leider klappt es mit meiner Ruhe nicht immer.
Auch körperlich zerrt die Chemo (oder ein neuer Tumor???) an ihr. Sie wirkt hin und wieder so kraftlos in ihren Bewegungen, als müsse sie sich auf jeden Schritt, jeden Handgriff konzentrieren. Sobald sie abends das Temodal genommen hat, fällt sie todmüde ins Bett. Heute Nachmittag war Adas und Viannes kleiner Freund zu Besuch. Anfangs kam Vianne alle fünf Minuten zu mir gelaufen und beschwerte sich, dass die Beiden sie nicht mitspielen lassen wollten. Ada schmiedet gerne Bündnisse, wenn ein Dritter im Spiel ist, die kleine Taktikerin. Ich verstehe, dass sie sich manchmal von Vianne abgrenzen will, das ist gesund und vernünftig. Andererseits tut es mir für Vianne leid, die dann außen vor steht, weil sie manchmal rein körperlich nicht mithalten kann - beim Klettern, beim Rennen, beim Schuhe anziehen... Und genau darauf zielt Ada bewusst ab: „Komm Oki, wir laufen weg und Vianne muss uns fangen." Manchmal ist sie eine kleine gerissene "Hexe". Nachdem ich den Kindern gesagt habe, dass bei uns keiner ausgegrenzt werde und dass sie ein Team wären, klappte das Zusammenspiel erstaunlich gut.
Das Mädels-Zimmer ist nach unserer Renovierungsaktion nun fast vollständig eingerichtet, abgesehen von den Deko-Sachen. Gestern wurden Hochbett und Matratzen geliefert. Wir bauten das neue Schlaflager nachmittags auf. Die Mädels waren so heiß darauf, endlich in "großen" Betten schlafen zu dürfen. Erstaunlicherweise einigten sie sich schnell, wer zuerst oben und wer unten schlafen darf/muss. Zum Glück lässt sich das Hochbett auch zu zwei Einzelbetten umbauen, so dass wir eine Notlösung haben, falls sie sich einmal nicht einigen können. Vianne schlief in der ersten Nacht oben. Heute Morgen bekam ich die "Damen" kaum aus den Federn: es muss eine wirklich gute erste Nacht gewesen sein..
Am Mittwoch, 26. November, haben wir das Gespräch in der Düsseldorfer Strahlenklinik. Mir wird jetzt schon übel, wenn ich daran denke. Die möglichen Folgeschäden sind so schwer. Vianne wird einen hohen Preis zahlen müssen. Ich weiß noch immer nicht, ob wir das Richtige tun, ob die Bestrahlung ein Segen oder eher ein Fluch ist. Wir lassen es einfach wieder auf uns zukommen - darin sind wir mittlerweile schon traurige Experten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen