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26. November 2016

Echtzeit! Gereizt und ausgebrannt



Montag, 16. Februar 2015


Vianne erholt sich körperlich ganz gut von den Strapazen der Operation. Sie läuft mittlerweile frei (wenn auch weiterhin schleppend), sie kann unter großer Anstrengung den Arm etwas anheben, und wenn sie lächelt, zieht sich ihr rechter Mundwinkel wieder mit nach oben. Leider lächelt sie momentan viel zu wenig.

Zornausbrüche, Gereiztheit, Tränen, Verzweiflung bestimmten den Tag. Da meine Nerven auch blank liegen, sind wir beide heute ganz oft aneinander geraten. Sie will einfach nicht mehr - nichts mehr: kein Pflasterwechsel, keine kitzeligen-verfilzten Haare entfernen, kein Händewaschen nach der Toilette, keine Medizin, keine frische Luft. Und auf dem Höhepunkt ihrer Wut fängt sie bitterlich an zu weinen und wirft sich in meine Arme, bis wir beide schluchzen. Ich würde ihr so gerne Zuversicht spenden - kann ich momentan aber nicht, da ich genauso verzweifelt bin wie sie. Wie gerne würde ich ihr versprechen, dass nach diesem Krankenhausaufenthalt alles gut ist. Kann ich aber nicht. Ich habe meinen Optimismus verloren. Wie soll ich sie aufmuntern, wenn ich es noch nicht einmal bei mir selbst schaffe. Ich hoffe einfach, dass der heutige Tag nur eine Momentaufnahme ist. Vianne scheint ihren Kampfgeist verloren zu haben - wer kann es ihr verübeln. In letzter Zeit sagt sie häufig, dass sie sich wünscht, dass alles wieder wie früher wäre, in der Zeit vor der Erkrankung. "Als ich noch ein Baby war..." (So sieht sie sich rückblickend als Zwei- bis Dreijährige). Ada sagt die gleichen Worte unabhängig von ihrer Schwester. Auch sie wünscht sich von Herzen die Zeit zurück, als Vianne noch gesund war. Ich bin immer häufiger wütend, dass Vianne ein großer Teil ihrer Kindheit geraubt wurde/wird, dass Operationen, Krankenhaushalte, schmerzhafte Eingriffe, Blutabnahmen, Medikamente ihren Alltag bestimmen. Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie sie mit ihrer linken Hand ihren rechten Arm hochhebt. Sie soll das Recht haben, herumzuspringen, zu lachen, sich Karneval zu verkleiden, mit beiden Händen Sachen zu greifen und frei spielen zu können. Ich weiß, dass es viele andere Kinder gibt, denen dieses Recht - aus was für Gründen auch immer - ebenfalls genommen wurde. Aber ich sehe momentan nur die vielen glücklichen Kinder. Es macht mich fertig. Ich bin wütend - unbeschreiblich wütend - und diese Wut überträgt sich auch auf meine Tochter. Nur dass ich hier die Erwachsene bin und sie auffangen müsste... Gestern zumindest konnte ich sie letztendlich doch noch zum Lachen bringen. Und Morgen muss das auch wieder klappen. Aber heute lebe ich noch etwas meine Wut aus und starre grimmig aus dem Krankenhausfenster...






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