22.
November 2014
Gestern
war ein grandioser Tag - voller Jubel, Trubel, Heiterkeit. Obwohl gestern unser
MRT-Tag war. Früh morgens schlich ich ins Kinderzimmer und weckte Vianne
zeitig. Ich erklärte ihr, dass sie so früh raus müsse, weil wir noch mal in die
Klinik zum "Foto machen" müssen. "Okay!", meinte sie
lediglich. Dabei hatte ich mich auf ein schreckliches Gezeter eingestellt. Zum
einen, weil sie so früh aufstehen sollte, zum anderen, weil es dann auch noch
für das MRT wäre. Aber nein, sie krabbelte gut gelaunt aus ihrem Bett. Wir
fuhren los und kamen sogar pünktlich um acht Uhr in der Kinderklinik an. Schon
auf dem Flur spielte sie mit den Holz-Schiebe-Elementen an der Wand.
"Schau mal, Mama, wie groß ich geworden bin, ich komme sogar schon an den
Frosch!", rief sie stolz. Dann klebten wir die Emla-Pflaster (zur
Betäubung) auf Handrücken und in die Armbeuge, damit das Stechen beim
Zuganglegen nicht so schmerzt. Anschließend
las ich ihr etwas vor, während sie zwei Marmeladenbrote futterte. Alles war
sehr entspannt. Micha wollte schnell nachkommen, nachdem er Ada im Kindergarten
abgeliefert hatte. Wieder brauchte der Arzt zwei Versuche, um die Vene zu treffen.
Gut, dass wir vorsorglich zwei Emla-Pflaster geklebt hatten. Micha kam auf die
Station und kurze Zeit später marschierten wir zur Radiologie. Während ich uns
anmeldete, faxte Micha mit Vianne herum. Ich
hörte sie die ganze Zeit kichern - was für ein schönes Geräusch. Die
beiden diskutierten, wofür denn eigentlich der Zugang im Handrücken sei. Micha
meinte, zum Pipimachen, was bei Vianne ein weiteres Kichern auslöste. Ich war
der Meinung, darüber könne man Fanta schlürfen. Vianne weiß natürlich, dass
über den Zugang das Kontrastmittel für die Aufnahmen eingeleitet wird. Aber es
macht Spaß, sich lustigere Alternativen auszudenken. Als uns die Schwester
schließlich in die Umkleidekabine holte, grinste sie über beide Ohren. Ich
verfolgte Vianne gerade mit ihrem Einhorn. Ich glaube, wir waren sehr laut beim
Rumalbern... Dieses Mal ging Micha wieder mit. Sobald sich die Tür hinter den
beiden schloss, überfiel mich diese Unruhe. Ich holte mir einen Kaffee,
streifte durchs Foyer, ging wieder zurück, blätterte durch eine schlechte
Zeitschrift. Warum dauerte es so lange? Sie wollten doch nur einen kleinen
Bereich der Wirbelsäule anschauen. Meine Gedanken überschlugen sich. Konnten
die Ärzte gerade in diesem Moment einen neuen Tumor sehen? Oder reagierte
Vianne vielleicht allergisch auf das Kontrastmittel? Gerade eben war doch eine weitere
Ärztin in den MRT-Raum gegangen. Kurz bevor sich noch schlimmere Szenarien in
meinem Kopf
einnisten
konnten, ging die Tür auf und Vianne hüpfte mir freudestrahlend entgegen. Sie
hatte einen großen Plüschvogel in der Hand. "Wow, ein Geier", sagte
ich zu ihr. "Neeeee! Das ist ein Seeadler, Mama", meinte Vianne
entrüstet. Irgendwie war mir mental wohl eher nach "Geier" als nach
"Adler" gewesen, obwohl es unverkennbar ein Adler war.
"Und?", flüsterte ich Micha zu. "Wie war's? Kann man schon was
sagen?" Micha erzählte, dass er gerade kurz mit einem (uns unbekannten)
Arzt sprechen konnte, und der hätte gemeint,
der
kontrastmittelanreichernde Bereich sehe in der neuen Aufnahme ganz anders aus.
Das wäre ein gutes Zeichen, denn wenn es wirklich ein Tumor wäre, wäre das Bild
das gleiche wie auf der letzten Aufnahme. Den letztendlichen Befund müsse man
allerdings noch abwarten. Ein erster Hoffnungsschimmer machte sich breit.
Vianne hüfte auf Micha zu, gab ihm einen dicken Schmatzer auf den Mund und
meinte verzückt: "Du warst mit mir im MRT!".
Micha
fuhr zurück ins Büro, Vianne und ich streiften durch das Krankenhaus-Foyer, wo
unser Elterntreff einen Weihnachtsbasar veranstaltete. Alle hatten ein paar
liebe Worte für Vianne übrig. Ich kaufte ihr selbstgemachte Schoko-Crossies,
die sie gleich naschte. Sie bekam noch einen selbstgestrickten Schal -
zufällig
genau passend zu ihrer Lieblingsmütze - vom Elterntreff geschenkt. Sie strahlte
alle mit ihrem schokoverschmierten Mündchen an. Danach kauften wir das
obligatorische Heft am Kiosk und machten uns auf den Heimweg. Sie war einfach
nur bezaubernd und vertilgte komplett die restlichen Schoko-Crossies.
Egal!
MRT-Tag war Zuckertag. Um 14 Uhr brachte ich Ada und Vianne zum
Kindergarten-Schwimmkurs. Nachdem sie zwei Wochen wegen des Infekts nicht
hatten teilnehmen können, freuten sie sich umso mehr auf das Schwimmen. Zum
Abholen kam ich extra ein paar Minuten eher, um sie noch im Wasser zu sehen.
Wasfür eine Überraschung! Ada machte ihre ersten selbständigen Schwimmzüge. Sie
war so stolz - und ich erst. Meine kleine mutige Große! Dass Seepferdchen kann
kommen. Mitten im turbulenten Umziehen klingelte mein Handy. Dr. B. war dran.
Er sagte nur einen Satz: "Alles in Ordnung." Weder hörte ich den
Trubel der Kindergartenkinder, noch nahm ich das Surren des Föns war, noch spürte
ich die Hitze in der Umkleidekabine. Ich hörte nur eins: Kein neuer Tumor im
Rücken. Lediglich die Blutgefäße hatten Kontrastmittel angenommen, die erste
verwackelte Aufnahme hatte aus den Blutgefäßen einen Schatten gemacht. Ein
Bildfehler! Unendliche Erleichterung.
Abends
besuchten wir den Adventsmarkt in der Gärtnerei einer Freundin. Es gab eine
kleine Feuershow, Glühwein, Kinderpunsch, Waffeln und Würstchen. Wir waren wie
befreit - ein toller Tag voller Jubel, Trubel, Heiterkeit....
Heute
haben wir "Vita" besucht, unsere kleine, sieben Wochen alte
Karthäuser-Katze, die wir in wenigen Wochen zu uns nehmen werden. Vianne, Ada
und Luke hatten sich so sehr eine Katze gewünscht, dass wir Eltern schließlich
nachgegeben haben. Micha und ich sehen sie als "Therapiekatze". Sie
erwärmt einem wirklich das Herz und wir glauben, dass sie den kleinen
Kinderseelen sehr gut tun wird. Lange haben wir nach einem Namen gesucht.
Vianne schlug schließlich "Vita" vor. Wie sie auf den Namen gekommen
sei, fragten wir erstaunt. Er wäre ihr einfach eingefallen, antwortete sie. Sie
weiß nicht, dass Vita Leben bedeutet. Was für ein passender Name...
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