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26. November 2016

Echtzeit! Wieder



Mittwoch, 11. Februar 2015

Es hört nicht auf - August 2012, Juli 2014, September 2014, Februar 2015. Es ist ihre vierte Tumor-Operation. Wie viele verkraftet sie noch? Es soll andererseits nicht aufhören - noch können sie operieren. Ich wünschte einfach nur, es würde aufhören, weil sie gesund ist. Es hört auch nicht auf wehzutun. Lediglich die Aufklärungsgespräche zur Anästhesie und zu dem geplanten Eingriff verlaufen kürzer – wir haben sie schon viel zu oft führen müssen, das wissen auch die Experten. "Das war jetzt die Kurzform, aber Sie kennen das ja alles schon. Oder war das jetzt zu schnell oder sollen wir noch mal ausführlicher darüber reden? Fühlen Sie sich trotzdem gut aufgeklärt?" "Ja, danke der Nachfrage, fühle ich mich", antworte ich freundlich-mechanisch. Die Schrecken der Dinge, die so unglaublich schief laufen können, sind noch immer die gleichen. Wieder ist Vianne diejenige, die so tapfer ist. Beim Blutabnehmen hat sie noch nicht einmal geweint. Sie sagt den Anästhesisten ganz abgeklärt, dass sie nicht "über die Maske" einschlafen will, sondern über den Zugang. Und der soll gelegt werden, wenn sie noch wach ist. Und sie will das Dormicum nicht als Saft, sondern als Zäpfchen. Sie ist fünf Jahre alt. Verdammt! Sie muss nicht tapfer sein! Sie darf ruhig laut hinausschreien: "Ich heiße Vianne und ich habe Angst." Sie ist viel zu beherrscht.
Mein schwarzes Oberteil ist voll von ihren Haaren. Sie verliert sie so schnell. Es trifft mich stärker, als ich mir eingestehen will. Sie tut so, als ob es nicht so schlimm wäre. "Ich weiß gar nicht, Mama, warum ich jetzt Tränchen in meinen Augen habe", sagt sie zu mir und guckt mich aus diesen alten, weisen, viel zu erfahrenen Augen an. Ich muss ihr versprechen, nicht vor anderen über ihren Haarausfall zu sprechen. "Letztendlich wird man es aber sehen", werfe ich ein. Das sei dann in Ordnung, ich solle nur vorher nicht darüber sprechen. Es ist ihr unangenehm. Dieses Gespräch führen wir zu zweit - im Badezimmer. Ich verspreche es ihr. Ich werde in ihrer Gegenwart nicht weiter darüber sprechen. Großes Indianerehrenwort. Dann sagt sie noch einen Satz, der mich völlig umhaut: "Mama, ER (der Tumor) soll nicht wiederkommen, das mit den Haaren ist dann egal." Wie Recht sie doch hat. Das ist auch mein größter Wunsch.
Uns bleiben noch ein paar Stunden bis zum Eingriff. Wir sind erst gegen 11 Uhr morgen früh dran. Wir haben heute ganz viel zusammen gespielt und gelesen, sie durfte naschen und "Dschungelbuch" auf meinem Laptop gucken. Sie kicherte immer wieder dabei. Ich brachte es nicht über mich, sie früh hinzulegen. Später haben wir uns gemeinsam in ihr Bett gekuschelt und eine ganz lange Gute-Nacht-Geschichte gelesen. Jetzt schläft sie, während ich sie betrachte.
Morgen früh kommt Micha zu uns.

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