Mittwoch, 11.
Februar 2015
Es
hört nicht auf - August 2012, Juli 2014, September 2014, Februar 2015. Es ist
ihre vierte Tumor-Operation. Wie viele verkraftet sie noch? Es soll
andererseits nicht aufhören - noch können sie operieren. Ich wünschte einfach
nur, es würde aufhören, weil sie gesund ist. Es hört auch nicht auf wehzutun. Lediglich
die Aufklärungsgespräche zur Anästhesie und zu dem geplanten Eingriff verlaufen
kürzer – wir haben sie schon viel zu oft führen müssen, das wissen auch die
Experten. "Das war jetzt die Kurzform, aber Sie kennen das ja alles schon.
Oder war das jetzt zu schnell oder sollen wir noch mal ausführlicher darüber reden?
Fühlen Sie sich trotzdem gut aufgeklärt?" "Ja, danke der Nachfrage,
fühle ich mich", antworte ich freundlich-mechanisch. Die Schrecken der
Dinge, die so unglaublich schief laufen können, sind noch immer die gleichen.
Wieder ist Vianne diejenige, die so tapfer ist. Beim Blutabnehmen hat sie noch
nicht einmal geweint.
Sie sagt den Anästhesisten ganz abgeklärt, dass sie nicht "über die
Maske" einschlafen will, sondern über den Zugang. Und der soll gelegt
werden, wenn sie noch wach ist. Und sie will das Dormicum nicht als Saft,
sondern als Zäpfchen. Sie ist fünf Jahre alt. Verdammt! Sie muss nicht tapfer
sein! Sie darf ruhig laut hinausschreien: "Ich heiße Vianne und ich habe
Angst." Sie ist viel zu beherrscht.
Mein
schwarzes Oberteil ist voll von ihren Haaren. Sie verliert sie so schnell. Es
trifft mich stärker, als ich mir eingestehen will. Sie tut so, als ob es nicht
so schlimm wäre. "Ich weiß gar nicht, Mama, warum ich jetzt Tränchen in
meinen Augen habe", sagt sie zu mir und guckt mich aus diesen alten,
weisen, viel zu erfahrenen Augen an. Ich muss ihr versprechen, nicht vor
anderen über ihren Haarausfall zu sprechen. "Letztendlich wird man es aber
sehen", werfe ich ein. Das sei dann in Ordnung, ich solle nur vorher nicht
darüber sprechen. Es ist ihr
unangenehm. Dieses Gespräch führen wir zu zweit - im Badezimmer. Ich verspreche
es ihr. Ich werde in ihrer Gegenwart nicht weiter darüber sprechen. Großes
Indianerehrenwort. Dann sagt sie noch einen Satz, der mich völlig umhaut:
"Mama, ER (der Tumor) soll nicht wiederkommen, das mit den Haaren ist dann
egal." Wie Recht sie doch hat. Das ist auch mein größter Wunsch.
Uns
bleiben noch ein paar Stunden bis zum Eingriff. Wir sind erst gegen 11 Uhr
morgen früh dran. Wir haben heute ganz viel zusammen gespielt und gelesen, sie
durfte naschen und "Dschungelbuch" auf meinem Laptop gucken. Sie kicherte
immer wieder dabei. Ich brachte es nicht über mich, sie früh hinzulegen. Später
haben wir uns gemeinsam in ihr Bett gekuschelt und eine ganz lange
Gute-Nacht-Geschichte gelesen. Jetzt schläft sie, während ich sie betrachte.
Morgen
früh kommt Micha zu uns.
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