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26. November 2016

Echtzeit! Lokalrezidiv



Sonntag, 18. Januar 2015

Er ist zu stark, er ist zu schnell. Wir kommen nicht mehr hinterher. Was sollen wir nur machen? Am Freitagmorgen fuhren wir zur Blutuntersuchung nach Dortmund. Das Spielzimmer war voll mit bekannten Gesichtern: so viele Rückfälle, so viele Kämpfer, so viele Schicksale. Tränen und Lachen wechselten sich ab. Anscheinend war jeder froh, nicht allein hier zu sitzen, auch wenn man niemanden die Erkrankung wünscht. Ada und Vianne spielten mit einer Schwesternschülerin "Lotti Karotti", später konnten sie mich zu einerRunde Monopoly Junior überreden. Wir hatten uns auf eine längere Wartezeit eingestellt. Die Stationsschwestern hatten uns im Vorfeld informiert, dass es dauern könnte, weil nur ein Arzt zur Verfügung steht. Mir war es egal. Wir hatten keinen Zeitdruck und wir waren kein Notfall. Außerdem kamen auch wir eine Stunde später als vereinbart - es hatte sich irgendwie so ergeben. Trotzdem rief uns Dr. B. relativ schnell ins Behandlungszimmer. Ich war froh, gerade ihn anzutreffen, weil ich noch einige Dinge wegen der Schweiz zu besprechen hatte. Er brachte Ada und Vianne zum Kichern. Sie fühlten sich wohl. Dann kam er auf den neuen Referenzbefund von den Januar MRT-Aufnahmen zu sprechen. "Fr. W-M. geht eindeutig von einem Rezidiv aus," erklärte er. Er holte mir die Beurteilung: "Größenzunahme zweier getrennter Areale im OP-Gebiet mit niedrigem T2-Signal und einer zunehmenden KM (Kontrastmittel)-Aufnahme. Auch der laterale (äußere) Herd ist auf dem Vor-MRT von 12/14 zu sehen. Am Rezidiv und dessen Progression ist kein Zweifel."Zwei Areale? Größenzunahme? Kein Zweifel? Die letzte Aussage der Dortmunder Radiologen war doch: kein Wachstum, ein Bereich. Ich war so verwirrt, stand einerseits komplett neben mir, konnte es andererseits nichtglauben und wirkte seltsamerweise ziemlich gefasst. Ich klärte noch meine Fragen bezüglich der weiteren Temodal-Gabe, auch unter der Bestrahlung, teilte noch meine Bedenken mit, dass wir mit dieser Doppelstrategie vielleicht ihr Immunsystem zerschießen, versorgte mich noch mit den entsprechendenRezepten, machte noch neue MRT-Termine für Rücken und Wirbelsäule für die Zeit nach der Schweiz klar - und fuhr mit den Mädels nach Hause. Dort erst fing ich an, die neue Lage zu realisieren: Die Aussage des Neurochirugen war: wenn sich der Bereich unverändert zeigt, geht er von keinem Rezidiv aus, ergo sollen wir in die Schweiz fahren. Die Dortmunder befundeten keine Größenzunahme, laut Referenzzentrum gibt es nun aber eine Größenzunahme. Sollen wir jetzt doch nicht in die Schweiz fahren? Dr. B. hatte aber am Vormittag nichts Gegenteiliges gesagt. Micha und ich diskutierten am Abend darüber. Im Referenzbefund steht zusätzlich: "Zwei Knoten, einer medial (mittig) und einer lateral - nicht sinnvoll messbar." Sie sind also noch immer kleiner als ein Zentimeter, liegen im Millimeter-Bereich. Der Neurochirurg hat aber auch gesagt, dass er die Läsion unter der Operation eventuell nur schwer lokalisieren könne, wenn sie noch sehr klein sei und: "Bei einer erneuten Größenzunahme der Läsion halte ich es für vertretbar, eine mikrochirurgische Operation anzubieten".
Ändert die Behandlungs-Reihenfolge irgendetwas? Einerseits haben wir einen Tumor, der wahrscheinlich weiter wächst, während wir in der Schweiz sind. Die Strahlen kommen dort nicht hin, dürfen dort nicht hin, weil in diesem Gebiet schon einmal bestrahlt wurde. Lassen wir erst operieren, wächst zwischenzeitlichvielleicht an anderer Stelle, irgendwo im Liquorraum, ein neuer Tumor. Ich werde noch heute eine Mail an die Dortmunder schreiben und um Rat fragen.
Andi war zum Glück Freitagnachmittag da und ich teilte ihr den neuen Befund mit. Später fuhren wir mit Ada und Vianne zum Kinderturnen. Es machte Spaß, den Turnmäusen zuzugucken. Ada hat eine tolle Körperspannung. Vianne hält gut mit. Zum Ende der Turnstunde weinte sie jedoch bitterlich, weil sie es nichtallein geschafft hatte, vom Sprungbrett aus auf dem Bock aufzuknien. Ada hatte es auf Anhieb geschafft. Vianne sieht die Unterschiede. Sie ist so streng mit sich, so ehrgeizig. Erst am Abend zuvor habe ich den Zwillingen erklärt, dass jeder Mensch einzigartig ist, dass jeder Dinge besser oder schlechter kann und dasjeder eine spezielle Gabe hat, die er nur im Laufe seines Lebens bei sich entdecken muss. Ich versuche Vianne zu vermitteln, dass man nicht aufgeben darf, dass es sich lohnt, immer und immer wieder Dinge zu probieren... Heute muss ich es mir selbst vor Augen halten, damit ich nicht den Mut verliere - damit ich die Verzweiflung in Schach halte...., damit ich mich nicht von der Angst lähmen lasse..."Er ist zu stark, er ist zu schnell. Wir kommen nicht hinterher...." Aber davon lassen wir uns nicht einschüchtern!!!

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