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26. November 2016

Echtzeit! Ungewiss



 18. Dezember 2014

Wir drehen uns im Kreis. Es ist ungewiss, ob wir die Protonentherapie wie geplant starten können. Es ist ungewiss, ob unsere Kraft für das Kommende ausreichen wird. Es ist ungewiss, ob Vianne weiter so gut mitmachen, so kooperativ sein wird. Heute Nachmittag rief Dr. B. an: ich hatte vorab um Rückruf gebeten, um ihm eine kurze Zusammenfassung von den Vorbereitungsmaßnahmen am Montag und Dienstag am PSI in der Schweiz zu geben und weitere Details abzuklären. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er auch für uns eine Nachricht hat. Der Referenzbefund aus Würzburg sei da: ein neuer Tumor! Ich hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht, hatte es weit von mir gewiesen, war mir so sicher gewesen, dass sich der Anfangsverdacht nicht bestätigen wird. Ein neuer Tumor, noch klein, und trotzdem schon aus Millionen von Zellen bestehend. Ein neuer Tumor, trotz laufender Chemotherapie. Scheiß auf das Temodal. Es scheint nicht zu wirken. Immer öfter schleicht sich ein bitterböser kleiner Gedanke in meinen Kopf: wir werden sie verlieren. Ich sehe sie an, beobachte sie, wie sie durch das Wohnzimmer tanzt, heimlich auf dem Sofa hüpft, mit Ada die Treppen rauf und runter jagt, Purzelbäume auf dem Sitzkissen schlägt - und mir schießen die Tränen in die Augen. Es ist so unsagbar surreal. Sie soll so krank sein? Dennoch wächst wieder etwas in ihr, was dort nicht hingehört. Dann sehe ich plötzlich vor meinem inneren Auge, wie Ada ganz allein im Raum steht, ohne Vianne, ohne ihre innige Umarmung, ohne ihr vorwurfsvolles: "Adaaaa, ssspiel nicht ohne mich weiter, ich muss mal!" Diese Bilder peinigen mich, nagen an meiner Hoffnung, wollen eine tiefe Dunkelheit hinterlassen. Aber noch kann ich diese Bilder erfolgreich wegwischen. Nur der Dumme schaut andauernd in die Zukunft und vergisst das Hier und Jetzt mit all seinen Facetten. Dann muss ich wieder lachen, insbesondere wenn die Damen "Eni Goldi" (oder so ähnlich spielen). Ich muss gestehen, dass ich bis heute nicht begriffen habe, was sie da eigentlich genau spielen. Ich höre nur immer wieder: "Hey, Ada, lass uns 'Eni goldi' spielen" - und dann wird gekichert. Zwillinge eben...
Ich habe Dr. B. gefragt, was wir nun machen sollen. Er will abklären, wie die Schweizer die neue Situation beurteilen. Er riet, schon einmal den Neurochirurgen zu kontaktieren. Ich habe heute vorsorglich mit Prof. S. einen Gesprächstermin für den 5. Januar vereinbart. Die Frage ist: erst operieren (das ist zum Glück möglich) und dann bestrahlen oder erst bestrahlen und dann operieren. Die Aussaat erfolgt so schnell. Was ist, wenn wir erst operieren, wir dadurch aber aus dem Schweizer Bestrahlungsplan raus fallen und sich bis zum nächsten Termin etwas Neues ausgesät hat? Was ist, wenn wir erst bis Anfang März bestrahlen lassen und anschließend operieren lassen, der Tumor dann aber vielleicht schon so groß ist, dass er Schäden angerichtet hat? Wir werden bald mehr wissen, sobald sich die Experten besprochen haben. Wie sollen wir Vianne noch eine weitere Hirn-OP zumuten? Diese Frage quält mich zusehends. Der Tumor liegt zwar sehr oberflächlich, aber es ist und bleibt ein schwerer Eingriff. Sie ist immer so tapfer gewesen. Warum muss sie immer wieder tapfer sein. Es reicht!!! Heute Abend beim Zubettbringen hat sie mich so innig gedrückt und mir gesagt, dass sie mich soooooo doll lieb hat und dass sie soooo froh ist, dass ich den Papa geheiratet habe, den sie auch soooo doll lieb hat. Ich musste weinen. "Warum weinst du?" fragte sie mich.
Über die beiden Tage in der Schweiz berichte ich später, heute bin ich schon zu müde. Morgen früh haben wir noch einen Kontrolltermin in Dortmund zur Blutuntersuchung und danach fahren wir erst einmal in den Skiurlaub. Wir brauchen wieder mehr helle, leuchtende Bilder in unseren Köpfen...

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