30. November 2014
Wir
lieben die Adventszeit - den Duft von Tannengrün, warme Socken, Kerzen,
Kuschelmomente. Unsere Welt ist derzeit dunkel und wenig erwärmend. Heute
jedoch drang ein Lichtschimmer durch, obwohl wir wahrlich vergessen haben, die
erste Kerze auf unserem Kranz anzuzünden. Die Tage sind momentan unsagbar schmerzhaft,
trotzdem war heute ein schöner Tag, ohne dass etwas Außergewöhnliches passiert
ist. Das Frühstück wurde heute Morgen quasi im Vorbeigehen eingenommen, denn
nach dem Kakao und dem Kaffee haben wir uns gleich ins Plätzchenbacken gestürzt
und dabei hin und wieder ins Frühstücksbrot gebissen. Alle waren herrlich
aufgeregt und ab und zu hat einer geschmollt (wie jedes Jahr), aber es hat
richtig Spaß gemacht, zumal wir keine Weihnachtsmusik, sondern südamerikanische
Salsa-Klänge dabei gehört haben.
Nach
eindringlicher Bitte von Jesse, Luke und Micha habe ich extra für die
Weihnachtsbäckerei Vollrohrzucker besorgt - die Männer wollten endlich wieder
Zucker schmecken, und auch wir Mädels waren nicht abgeneigt. Wir suchten uns
die Rezepte für Zimtsterne, Schneeballplätzchen, "Oma Bettys Terrassenplätzchen"
(Tilda Apfelkern) und Vanilleplätzchen heraus - und ab ging die Knet- und Ausstech-Aktion
- Naschen inklusive. Natürlich haben wir es geschafft, zwei Bleche verbrennen
zu lassen (irgendwie hatte sich der Temperaturregler plötzlich auf 250 Grad
verschoben). Wer uns kennt, den wird's nicht
wundern. Zwischendurch rief meine liebe enge Freundin M. an: wieder flossen die
Tränen. Am frühen Nachmittag brach kurze Zeit Hektik aus, weil wir
"Mädels" uns für die große Weihnachtsfeier vom "Elterntreff für
leukämie- und tumorkranke Kinder" schick machen wollten, natürlich wieder
auf die letzte Minute. Dem "'Elterntreff" mit all seinen engagierten
Organisatoren zolle ich meinen vollen Respekt. Es ist so gut, dass es ihn gibt.
Sie helfen, wo sie nur können, sie hören zu, beraten, stehen unbürokratisch an
deiner Seite und zaubern ein Licht in die Dunkelheit und ein Lächeln in die
Gesichter der kranken Kinder und Geschwisterkinder. Wir freuten uns zudem
riesig, endlich Katrin und Lilli wiederzusehen. Was für ein warmherziges
Umarmen, Drücken. Die Kleinen sind so goldig zueinander. Beim Abschied riefen
Ada und Vianne ihrer Lilli noch ein inniges "Wir haben dich lieb,
Lilli" hinterher. Vianne sieht nach Temodal, zwei Infekten (oder aus
anderen Gründenn?) blass und dünn aus. Sie ist wacklig auf ihren Beinchen und versucht
trotzdem, immer und überall mitzumischen, meine kleine Kämpferin. Am Freitag
hatten wir das Gespräch mit unseren Dortmunder Onkologen. Sie haben sich sehr
viel Zeit genommen, zugehört und mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Wir haben
ihnen vom Gespräch mit der Strahlentherapeutin erzählt. Wir haben ihnen gesagt,
dass wir Vianne so nicht behandeln lassen können. Sie akzeptieren unsere
Entscheidung (auch wenn Prof. S. einen anderen Weg gehen würde) und haben uns
versichert, dass sie - egal wie wir uns weiter entscheiden
- voll hinter uns stehen werden. "Wir lassen sie nicht allein." Ein
Licht. Wir haben lange gesprochen, ob Alternativen bestehen: Ventrikuläre
Chemogaben direkt ins Ventrikelsystem (zu wenig für eine Heilung),
Einzelheilversuch mit Vorinostat (nur Aufnahme in Studie bei vorhandenem
Resttumor), nur Bestrahlung der neuen Tumorgebiete (nicht ausreichend, da
Tumorzellen wahrscheinlich im gesamten Liquor sind). Dabei sehen sie bei der
kraniospinalen Bestrahlung (ebenso wie wir) eine wirklich hohe Bedrohung durch
die Strahlenaufsättigung von rund 90 Gy im Primärtumorgebiet. Daraufhin reifte
der Vorschlag, zwar Viannes Neuroachse bestrahlen zu lassen, jedoch nur das
innere Ventrikelsystem und nicht die außen umlaufenden Hirnwasserwege. Zwar
würden wir damit nicht das gesamte Ventrikelsystem abdecken, aber einen
Großteil - eine reine Nutzen-Risiko-Abwägung. Wir argumentierten, dass die
geistigen Folgeschäden nichtsdestotrotz vorhanden blieben. Wir sprachen die
Idee einer solchen Bestrahlung mit Protonen an. Wir wissen aufgrund eines
Artikels, dass die Schweizer schon einmal den kompletten Spinalkanal plus
hintere Schädelgrube bei einem Jungen mit Medulloblastom bestrahlt haben. Aber
die Zeit rennt uns weg, erklären unsere Ärzte. Und dabei dauern diese Anfragen,
Rückmeldungen, Genehmigungen von der Krankenkasse immer einige Wochen. Egal,
wir werden diese Anfrage stellen. Wir wissen zwar noch immer nicht, ob wir diese
Bestrahlung dann wirklich machen lassen werden, aber wir wissen zumindest, ob
sie überhaupt jemand durchführen kann/will. "Die Bestrahlung ist (nach
medizinischen Kenntnissen) das Einzige, was Vianne heilen
kann", betonen sie noch einmal. Sie sprachen von einer 50prozentigen
Chance. Sie setzen nach, dass letztendlich aber niemand wissen würde, wohin der
Weg - im guten wie im schlechten - geht. Alle anderen Behandlungswege wären
rein palliativ. Harte, klare, ehrliche und für uns keineswegs neue Infos.
Angesprochen
auf den April-Referenzbefund zeigten sich beide ehrlich erstaunt. Dr. B. schien
irritiert, weil eigentlich nur unklare Befunde ans Referenzzentrum gehen - und
für die Dortmunder war der Befund eindeutig. Er will nachforschen und uns
Rückmeldung geben. Das ist gut. Das Vertrauen hat sich gefestigt.
Ein
Licht! Enge Freunde sorgen sich so sehr um uns, unsere Familie steht
uneingeschränkt hinter uns, viele aufmunternde Worte und Gesten erreichen uns,
viele liebe Menschen versuchen, uns das Leben zu versüßen (Danke, ihr lieben
Dresdner, für den leckeren Original Christstollen!!!, Danke liebe Uli für die zauberhaften
Servietten), uns ein Lächeln ins verheulte Gesicht zu zaubern. Das ist ganz
viel Licht in der Dunkelheit!
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