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26. November 2016

Echtzeit: Zittern -



Donnerstag, 11. Dezember 2014

Das Zittern geht weiter, während um uns herum das Chaos tobt. Manchmal komme ich mir vor wie im Auge eines Hurricans - ein kurzer, trügerischer Moment des Durchatmens, bevor der Sturm wieder mit voller Kraft über uns hereinbricht. Alles wirbelt so schnell um uns herum. Und dann wird für einen kurzen Moment alles angehalten. Voller Sorge, ob die Krankenkasse die Kosten für die Protonenbestrahlung in der Schweiz übernehmen wird, habe ich mich in der Nacht von Montag auf Dienstag unruhig im Bett hin und her geworfen. Montagmorgen hatte mich die Krankenkasse angerufen, weil sie noch eineWillenserklärung von uns brauchte. Sie konnten noch nichts zu einer  Entscheidung sagen. Der Sachbearbeiter war zum Glück sehr sympathisch. Ich bat noch einmal um eine schnelle Klärung, da uns die Zeit davon rannte. Beim letzten Mal hatte es von der Anfrage bis zur Zusage rund fünf Wochen gedauert, ich hatte extra noch mal in meinen Unterlagen nachgeschaut. Warum sollte es jetzt schneller gehen? Montagabend hatte mir Dr. B. noch eine E-mail geschrieben, dass die Schweizer eine definitive Kostenübernahme-Bestätigung in Höhe von rund 100.000 Schweizer Franken bis Mittwoch bräuchten. Bis dato war ich, in Anlehnung an die letzte Behandlung, immer von einer Summe von maximal 50.000 ausgegangen. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Warum soll die Kasse eine craniospinale Re-Bestrahlung mit Protonen zahlen, wenn es auch mit Photonen geht. Warum sollen sie eine Behandlung in der Schweiz zahlen, wenn es ein Gerät in Essen gibt. Ich war so unsicher.
Montagabend stand dann auch wieder die Chemo für Vianne an. Sie beschwert sich nie. Sie zählt immer ganz tapfer bis drei, bevor sie das Honig-Gift-Gemisch schluckt. Wir sind gerade in der gefährlichen Nebenwirkungsphase, in der es zu einem tödlichen Leberversagen kommen kann. Sie wirkt so fröhlich. Mittags kam Luke mit einer sechs im Musiktest an. Dienstag rief ich schließlich bei unserer Krankenkasse an: "Wir übernehmen die Kosten", teilte der Sachbearbeiter mit. "Die Zusage ist schon auf dem Postweg und müsste morgen früh bei Ihnen sein." Ich hätte ihn umarmen können!
Am Mittwoch hatte Vianne nachmittags ihren MRT-Termin. Ada war dabei, als Vianne den Zugang im Krankenhaus gelegt bekam. Der Arzt machte Scherze mit den beiden und sprach sie mit "kleine Prinzessinnen" an. Das wurde mit einem Kichern kommentiert. Um 16 Uhr sollte das MRT starten. Um 17.30 Uhr ging es letztendlich los. Die Wartezeit haben wir mit uns mit Croissants, Schokobrötchen und Sandkuchen versüßt (MRT-Tag = Zuckertag). Zum Glück war Micha dabei. Schließlich durften wir in die Umkleide. Micha warf sich den schmucken grünen Arztdress über, Vianne zog ihr überdimensionales OP-Kleidchen an. "Schau mal, ich kann fliegen", kicherte sie und ließ die langen Hemdsärmel flattern. "Du siehst aus wie ein kleines Nachtgespenst", meinte ich zu ihr, woraufhin beide Mädels auf die Idee kamen, gefährliche, krallenzeigende "Geistergespenster" zu sein. Sie spukten durch die enge Umkleidekabine. Es war laut und lustig. Wir kamen dann doch zügig dran. Vianne meisterte das MRT wieder mit Bravour. Wir warten jetzt auf das Ergebnis. Es ist zermürbend. Wir zittern. Es ist 15.30 Uhr, normalerweise müssten sich die Ärzte schon besprochen haben. Die Mädels wollen Schneemann-Plätzchen backen - ich bin halb handlungsunfähig. Heute Morgen rief die Sekretärin vom PSI/ Schweiz an. Es tat gut, ihre Stimme zu hören. Sie ist so liebenswürdig und empathisch. Sie wollte vor dem Tumorboard (Tumorkonferenz) klären, ob wir Montag und Dienstag, 15./16.12. in die Schweiz zur Planung kommen. Ich sagte ihr, dass wir gerne kommen würden, aber noch auf das aktuelle MRT-Ergebnis warten. "Was machen wir bloß, wenn sich ein neuer Tumor in Viannes Köpfchen zeigt?", meinte ich. "Sie kommen erst einmal am Montag", sprach sie mir Mut zu. Wir zittern weiter. Micha ruft gerade in Dortmund an...

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