Sonntag, 26.
April 2015
Auf
das Hoch vom vergangenen Mittwoch ("Leichtigkeit") folgte ein tiefer
Fall - nur wenige Stunden nach dem letzten Eintrag. Es fällt schwer, all die Geschehnisse der letzten Tage in Worte zu
fassen. Es ist so viel so schnell passiert. Unser und Viannes Leben gleicht
immer mehr einer Achterbahnfahrt - und nach zu vielen Runden wird es einem
verdammt übel...es tut mir so leid, dieses Mal keine gute Nachricht geben zu
können. "Es" beginnt, obwohl sie so sehr gekämpft hat, obwohl wir so
sehr gekämpft haben, obwohl uns so viele
positive
Gedanken begleitet haben...
Donnerstag,
23. April - morgens: Vianne wird wach. Sie ist blass, sie ist müde, sie hat
Kopfweh - wie so oft in den vergangenen Tagen. Nur das ihr Kopf an diesem
Morgen stärker schmerzt als sonst. "Mama, ich möchte mich wieder
hinkuscheln, mit dir", bittet sie mich. Meine Warnlichter gehen an. Micha
und die Jungs sind schon weg, Ada ist noch nicht im Kindergarten. "Mir ist
irgendwie übel", sagt sie leise. Kurze Zeit später würgt sie - auf
nüchternen Magen. Ich versuche
meine Angst in den Griff zu kriegen, Bilder aus den Bestrahlungstagen in der
Schweiz tauchen auf. Sie hatte sich vor den schlimmen Ausfällen ebenfalls in
Kombination mit Kopfweh früh morgens übergeben müssen. Ich rufe in der Klinik
an und schildere alles. Wir sollen vorbeikommen. Ich gebe Ada knappe Anweisung,
sich zügig anzuziehen, damit ich sie schnell in den Kindergarten bringen kann.
Sie murrt natürlich. Ich gebe Micha Bescheid. Er ist besorgt, er hatte schon
morgens ein komisches Gefühl, nachdem Vianne aufgestanden war. Dann suche ich
noch schnell Anziehsachen für Vianne raus, und kurze Zeit später
setzen wir Ada schnell im Kindergarten ab. Ich erkläre den Erzieherinnen eilig
die Situation. Auf dem Weg zur Klinik scheint es Vianne wieder besser zu gehen.
Doch auf halber Strecke schläft sie im Auto ein - völlig untypisch. Ich bin
froh, als wir endlich in der Klinik ankommen. Die Schwestern begrüßen uns so freundlich.
Wenig später untersucht eine Ärztin Vianne, nimmt Blut ab. Vianne wirkt
überreizt und weint schon beim Fingerpiks mehr als sonst. Aufgrund der Symptome
wird eine Notfall-MRT veranlasst, da Verdacht auf Hirndruck besteht. Während
der Wartezeit lese ich Vianne vor, unterhalte mich kurz mit der Erzieherin
(aus der Kinderklinik) und der Stations-Psychologin. Vianne hat Appetit auf ein
Croissant. Mist - damit fällt die Hoffnung auf eine schnöde
"Magen-Darm-Grippe" wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Eine Stationsmutter
vom Elterntreff übernimmt das Vorlesen und kümmert sich um Vianne, während ich
zum Bäcker eile und das Essen hole. Micha kommt kurz vorbei, weil ich mein
Portemonnaie in seinem Auto vergessen habe. Wieder auf Station angekommen
kriegen wir die Info, dass wir schon zum MRT-Raum ins Hauptgebäude
rüber gehen können. Vianne protestiert. Sie muss auch noch einen Zugang für das
Kontrastmittel gelegt bekommen. Ich kann sie dabei kaum auf dem Schoß halten,
sie wehrt sich mit Händen und Füßen und weint bitterlich. Zum Glück gelingt der
Zugang auf Anhieb.
Im
MRT-Wartebereich ist alles voller Handwerker. Überall wird gesägt, gehämmert,
geklopft. Der neue Kinder-Magnet-Resonanz-Tomograph wird derzeit aufgebaut.
Ursprünglich sollten an diesem Tag alle Aufnahmen ins Klinikum Nord verlagert
werden, aber man hatte sich aufgrund einiger Notfälle umentschieden.
Zu unserm Glück. "Vianne, schaffen wir das wieder gemeinsam", frage
ich sie. "Wenn ich dabei wach bleiben darf... dann ja", antwortet
sie. Sie liegt schmal und blass und müde in der "Röhre", ich stehe
die ganze Zeit daneben, streichele ihren Fuß. Ich habe Angst davor, was wir
später zu sehen kriegen werden. Bereits während den ersten Sequenzen läuft mir
eine Träne über die Wange. Ich wische sie weg. Vianne ist in der
"Röhre" wieder eingeschlafen.
Donnerstag,
23. April - nachmittags: Wir gehen anschließend zurück auf die Kinderstation.
Irgendwann kommt Dr. B.: "Wir können kein Anzeichen für Hirndruck
sehen." "Das ist gut", murmele ich dazwischen, bevor er weitersprechen
kann. "Aber ich habe keine schöne Nachricht", setzt er wieder an.
Nicht nur der Resttumor im Parietallappen ist gewachsen. Es zeigen sich drei
weitere Tumore im Kopf: im Stirnbereich, im Seitenventrikel, am Hirnstamm. "Es"
hat begonnen...
(Alles
Weitere folgt später - für heute bin ich zu müde. Es geht Vianne soweit gut.
Wir sind Zuhause, sie schläft gerade und ist schmerzfrei. Hoffen wir auf eine
ruhige Nacht)
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