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5. Dezember 2016

Echtzeit! Seltsam



Dienstag, 17. März 2015


Mit heute hat Vianne drei Bestrahlungen hinter sich. Sie macht gut mit, und bisher waren wir immer nach maximal 15 Min. (plus An- und Ausziehen) fertig. Die Maske passt gut, Anlegen und Fixieren dauern weniger als eine Minute, die Bestrahlung vielleicht fünf Minuten. Alles in allem sind wir anderthalb Stunden am Vormittag unterwegs. Das ist fair. Ein großer Vorteil ist, dass sie keine Narkose benötigt. Ich wage es weiterhin kaum auszusprechen, aber es geht Vianne augenscheinlich gut. Sie kann wieder richtig rennen, sie ist lebhaft und aktiv, ihr rechter Arm und ihre rechte Hand machen hinsichtlich der Funktionalität weiterhin kleine Fortschritte. Wir genießen die Sonne, die Ausflüge und das gemeinsame Spiel. Am Wochenende haben wir mit allen Kindern das Gasometer in Oberhausen besucht und uns die Ausstellung "Der schöne Schein" angeschaut. Ausgestellt sind Drucke und Skulpturen (als Nachbildungen) verschiedenster Epochen und Stilrichtungen. Da hängt ein Caspar David Friedrich unweit der Mona Lisa, ein Stück weiter "der Denker" von Rodin - vor einer Kulisse aus Stahlträgern und Eisentreppen. Diese Vielfalt in diesem ungewöhnlichen Rahmen hat die Kinder begeistert. Luke konnte es gar nicht glauben, dass ihn die Mona Lisa immer anschaute, egal ob er links oder rechts von ihr stand. Ada hingegen war eher an den verwundeten Barbaren und Kämpfern interessiert. Höhepunkt der Ausstellung war eine gigantische Lichtinstallation, die größte Innenraumprojektion weltweit. Bis zur Decke des Gasometers vermischten sich die Lichtpunkte zu immer neuen Formationen und trügten das Auge. Wir lagen zu sechst entspannt auf gemütlichen Sitzsäcken und ließen uns von der rund zwanzigminütigen Darbietung in den Bann ziehen. Mal entstanden Wellenbewegungen aus Licht an den Hallenwänden, mal glitt das Licht von oben nach unten, Lichtstreifen stießen sich sanft an und setzten ihre Bahn fort. Wände aus Licht formierten einen dreidimensionalen, sich ständig verändernden Raum. Das Ganze wurde untermalt von beruhigenden Klängen. Luke war so entspannt, dass er auf dem Sitzkissen einschlief. Vianne war restlos fasziniert und säuselte andächtig: "Wie sssöööön, wie wunderbar, wundersssööön". Adas Kommentar: "Total cooool". Sogar Jesse hat es gefallen. Und Micha und mir sowieso.

Es ist irgendwie seltsam. Wir wissen, wie es um Vianne steht, aber sie spiegelt das nicht wider – zum Glück. Abgesehen von den fehlenden Haaren und der rechtsseitigen Beeinträchtigung wirkt sie fast "normal". Anstrengend sind ihre gehäuften Wut- und Schreianfälle. Es ist schwer einzuordnen, ob sie vom

Antiepileptikum kommen, ob es ein Ausdruck von Stressbewältigung oder ein ganz normales Rumgezicke einer Fünfjährigen ist. Fakt ist: es ist anstrengend. Aber wir sind nicht bereit, ihr alles durchgehen zu lassen, nur weil sie schwer krank ist und schon viel mitmachen musste. Das würden unsere Nerven auch nicht aushalten. Eigentlich steht bald das nächste postoperative MRT des Schädels an, sechs Wochen sind seit der Operation fast um. In Absprache mit Dr. B. werden wir es erst nach insgesamt zwölf Wochen durchführen. Denn was bringt uns die Erkenntnis aus den aktuellen Aufnahmen? Operiert werden - außer im absoluten Notfall - soll sowieso nicht mehr. Wir würden lediglich sehen, ob und wo es weiteres Tumorwachstum gibt. Und dann? Die Ergebnisse aus der molekulargenetischen Analyse stehen noch aus. Insofern hätten wir als Medikament nur etwas aus der molekular-biologischen Untersuchung. Wenn Vianne irgendwelche Ausfälle oder Auffälligkeiten zeigen sollte, wird sowieso schnellstmöglich ein MRT gefahren. Bis dahin wollen wir einfach alles Blöde so weit wie möglich von ihr fernhalten - und dazu gehört auch, stocksteif 40 Minuten im MRT zu liegen.

Gestern Nachmittag sind Ada, Vianne und ich spontan zu einem schön angelegten Spielplatz in der Nähe gefahren und haben die Sonnenstrahlen, das Klettern und Toben von ganzem Herzen genossen. In solchen Momenten steht Viannes Erkrankung hinten an. Herrlich. Ich hoffe so sehr, dass wir diesen Zustand noch lange haben werden, dass Viannes Krankheit noch lange im Hintergrund bleibt, dass andere schönere Dinge den wichtigen Raum im Vordergrund in Beschlag nehmen. 


Aber es ist schwer, ihr jeden Tag etwas Schönes bieten zu wollen. Manchmal stehen wir uns mit unseren überzogenen Ansprüchen selbst im Weg. Dabei müssen es nicht immer die großen, außergewöhnlichen Dinge sein, die Freude bringen - wie der gestrige Spielplatzbesuch zeigt. Das wissen wir. Aber irgendwie fühle ich mich doch getrieben, so oft wie möglich Ausflüge/ Unternehmungen/ Überraschungen zu planen. Natürlich haben wir auch schon einen ausgiebigen Besuch in einem großen Spielzeugladen hinter uns. Wir hatten Vianne versprochen, dass sie sich zu Bestrahlungsbeginn und zum Bestrahlungsende ein Spielzeug aussuchen darf. Na ja, Luke und Ada können wir es dann auch nicht verwehren, sonst wäre die allgemeine Stimmung ziemlich getrübt (Jesse sieht's schon gelassener, wird aber auch bedacht - wenn auch nicht mit Spielzeug). Fazit nach so einem Spielzeugladenbesuch: Geldbörse leer, Kinderseelen glücklich .




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