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5. Dezember 2016

Echtzeit! Begegnungen



11. April 2015


Wir haben nur noch sechs Bestrahlungen vor uns. Auch hier hat sich eine angenehme Routine eingeschlichen. Im Wartezimmer sehen wir häufig dieselben Gesichter, keine Kinder, allesamt Erwachsene. Alle haben schwerwiegende Erkrankungen, sonst wären sie nicht hier, dennoch entwickelt sich ein lockerer Smalltalk. Vianne bezaubert durch ihre liebenswerte Art, durch ihren regen Verstand. Von Scheu keine Spur. Sie zeigt allen Anwesenden - Ärzten wie Patienten - ihre Begleiter. "Hoppel", ihr Lieblingshase, ist ständig dabei und hat noch keine Bestrahlung verpasst. "Tinkerbell", ihre neue Barbiepuppe, durfte hingegen das erste Mal mitkommen. Stolz hat sie vor einigen Tagen ihre neue Kopftaschenlampe präsentiert. Dermaßen ausgestattet stapfte sie selbstbewusst zur Bestrahlungsliege. Und auch ihre neue Playmobil-Fee samt Zauberpferd durfte sie schon begleiten. Alle haben immer einen großen Auftritt und müssen ausreichend vom medizinischen Personal beachtet werden, dafür sorgt Vianne schon. Unsere kleine Kämpferin bringt Licht in diese eher düstere Therapiewelt. Erst kürzlich betrat sie den Vorraum, sagte kein Wort, blickte forschend in die Runde, setzte in aller Ruhe ihre neueste Errungenschaft auf dem Fußboden ab und trat nach Aktivierung demonstrativ einen Schritt zurück. Ein singender Plüsch-Osterhase hopste und wackelte daraufhin durch den Raum, so dass die gesamte Belegschaft erst ungläubig dreinschaute, dann aber in schallendes Gelächter ausbrach. Mit einem triumphierenden Grinsen legte sich Vianne anschließend auf die Behandlungsliege. 



Obwohl sie todkrank ist, spüre ich so viel Leben in ihr, mehr als in so manchem vermeintlich Gesundem. Wie gern würde ich diese kindliche Lebendigkeit in mir spüren. Letztens fragte mich eine sympathische Frau im Wartezimmer, wie oft wir noch kommen müssen. "Nur noch sieben Mal", antwortete ich. Ach, dann sei ja alles wieder gut, bemerkte sie ohne böse Absicht. An meinem Blick muss sie gemerkt haben, dass dem nicht

so ist, so dass sie ein zögerliches "oder?" nachwarf. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf - und war heilfroh, in diesem Moment aufgerufen zu werden.


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