Mittwoch, 25.
März 2015
Die
Tage ziehen so schnell dahin und sind randvoll ausgefüllt mit
Bestrahlungsterminen, Heilpraktikerbesuchen, Kindergartenbesuchen (Vianne:
"Ich will uuunbedingt Yoga mitmachen"), Schwimmkurs, Hallenbad- und
Eiscafébesuchen, Verabredungen mit kleinen Freundinnen,... Während ich mir
Sorgen mache, ob es nicht zu viel ist, fragt Vianne bereits am frühen Morgen:
"Und? Was machen wir heute?"
Sie
hat nun neun Bestrahlungen hinter sich gebracht - bisher ohne ersichtliche
Nebenwirkungen. Die Haut ist noch nicht gerötet, das Schlucken tut (noch) nicht
weh. Das ist gut. Aber sie hat noch 15 weitere Bestrahlungen vor sich.
Insgesamt sind es doch "nur" 24 Mal. Im Vorgespräch hatte ich
verstanden, dass 26 Mal geplant sind (herausgerechnet die vier Einheiten aus
der Schweiz), so dass wir alles in allem auf 30 Bestrahlungen mit insgesamt 54
Gy kämen. Jetzt sind es gesamt etwas über 50 Gy. Uns soll es Recht sein. Rund
Vier Gy mehr oder weniger werden keinen Einfluss auf den weiteren
Krankheitsverlauf nehmen.
Wir
betrachten Vianne jeden Tag ganz genau - und das hat nicht nur mit der
Bestrahlung und dem Resttumor zu tun. Wir haben angefangen, das Antiepileptikum
zu reduzieren, entgegen dem ärztlichen Rat. Aber wir wollen sie nicht weiter
prophylaktisch mit schweren Medikamenten behandeln. Niemand kann eindeutig sagen,
ob sie nach Absetzen des Medikaments wieder einen Krampfanfall bekommen wird. Ich
glaube es nicht. Zumindest derzeit. Wenn sich der Tumor im Kopf schnell
ausbreitet, wird sie alle Wahrscheinlichkeit sowieso künftig Krampfanfälle
erleiden. Dann haben wir keine Wahl, dann müssen wir entsprechende Mittel
einsetzen. Aber bis dahin... Trotzdem macht mir unsere Entscheidung, unsere
eigene Courage, manchmal Angst. Doch seit Reduzierung scheint mir Vianne wieder
ausgeglichener, zufriedener, weniger wütend und wieder mehr sie selbst zu sein.
Das
ständige Beobachten und Nachfragen, ob es ihr gut geht, nervt unsere pfiffige
Tochter gewaltig. Originalton Vianne: "Warum fragst du immer?" Aber
wir können es nicht abschalten. Läuft sie wieder schlechter? Hat ihr rechtes
Bein weniger Kraft als gestern? Warum hat sie sich gerade am ganzen Körper geschüttelt?
Langsam müssten doch die Haare wiederkommen - oder wachsen sie nie wieder nach?
(und auch wenn, was soll's eigentlich?). Zieht sie den Mundwinkel heute weniger
weit nach oben, wenn sie grinst? Wirkt sie insgesamt müder? Es ist schwer,
diesen quälenden Fragen Einhalt zu gebieten. Andererseits haben wir momentan -
abgesehen von den kurzen Bestrahlungen - wieder mehr "Alltag" und
weniger Behandlungen und Kontrolltermine als noch vor einem halben Jahr: keine
Operationen im Abstand von zwei bis drei Monaten, keine ständigen Blutabnahmen,
keine regelmäßigen neurologischen Testungen, weniger eng getaktete MRT-Termine.
Es ist irgendwie kurios: die Krankheit schreitet voran, die medizinischen
Maßnahmen gehen zurück. Andererseits ist das das richtige Vorgehen eines jeden verantwortungsbewussten Arztes: gerade in der Palliativbehandlung
soll so lange wie möglich der Fokus auf der Lebensqualität liegen, nicht auf
quälenden, zeitraubenden
und zum Teil gefährlichen Therapien. Es ist immer wieder schwer, sich
einzugestehen, dass die Ärzte nicht mehr mit Blick auf Heilung behandeln. Ich
hingegen habe die Hoffnung auf Heilung noch nicht aufgegeben. Naiv?
Wunschdenken? Schutzreflex? Ist das alles nur die Ruhe vor dem Sturm? Keine Ahnung.
Hoffnung lässt sich nicht erklären. Ich weigere mich nach wie vor, in Vianne
etwas anderes zu sehen als dieses kleine, fröhliche, selbstbewusste, wahnsinnig
mutige Mädchen voll überschäumender Lebensenergie. Ich weigere mich!
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