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21. Februar 2017

Echtzeit! Wind, Wellen, Weite, Weigerung



Dienstag, 9. Juni 2015 


Wir sind wieder Zuhause - und gleich heute Morgen ist es Vianne übel geworden. Wir sollten ab jetzt immer Urlaub machen. Kurzerhand hatten wir Ende letzter Woche entschieden, im Anschluss an den MRT-Termin das Weite zu suchen - insofern es Vianne einigermaßen gut geht. Am Freitagabend war nicht mehr an eine Fahrt zu denken, noch in der Nacht zu Samstag hatte sie erbrochen - am Samstagmorgen ging es ihr dafür umso besser. Gemeinsam mit Andi, Ralf und Ada stiegen wir ins Wohnmobil (die Mädels wollten schon immer mal eine Wohnmobil-Tour machen und grinsten bereits beim Anblick) - und fuhren los. "Wozu hast du Lust?", fragten wir Vianne. "Wohin möchtest du fahren?" "Nach Afrika", antwortete Vianne spontan. Also auf nach Afrika - eher gesagt in den Münsteraner Zoo. Wir fütterten Elefanten mit Salatköpfen und Gurkenstücken, schauten den Robben bei ihren Kunststücken zu und  beobachteten die Leoparden-Babys. Vianne wirkte fit, lachte, futterte und scherzte, während sie auf Ralfs Rücken ritt. Also ging es weiter gen Norden, an die Nordsee, nach Neuharlingersiel, wo gerade der Jever Fun Kitecontest stattfand - eine gute Sache! Eine einzigartige, entspannte Atmosphäre! Nächstes Wochenende ist die Meisterschaft auf Fehmarn ... Wir bekamen einen Stellplatz direkt hinter dem Deich - auf der anderen Seite das Watt, das Meer und unendlich viele bunte flatternde Kites unter einem strahlend blauen Himmel. Ada, Vianne (und ich) juchzten laut auf, denn: "Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut." (Eduard Friedrich Mörike) - und ich teile seine Meinung. Am Meer wurden wir fast davongepustet - was für ein Vergnügen. Eigentlich machten wir nicht viel, wir hatten überhaupt keinen Plan für den nächsten Tag, ließen uns einfach nur treiben und sogen die Atmosphäre in uns auf. Wir bauten mit den Mädels Sandburgen im Windschatten der Strandkörbe. Anschließend wollte Vianne unbedingt eine Erbsensuppe futtern, die es auf dem Gelände der Kite-Surfer gab, während uns der Sinn eher nach einem kühlen Getränk stand - vor dem Cappuccino und der Auszeit im Liegestuhl. Wir probierten richtig coole Sonnenbrillen auf - Ada und Vianne bekamen dank ihres Charmes auch gleich eine geschenkt... Total spannend waren die Finalrennen der Kiter. Vianne wollte es ihnen nachmachen, schnappte sich einen Liegestuhl, dessen Tuch sie kurzerhand zum Kiteschirm umfunktionierte und ließ sich vom Wind in die Lüfte heben... Wir ritten auf Robben und hinterließen Spuren im Sand - und wir chillten so mächtig, dass dieser Scheiß-Tumor einfach in den Wellen versank - zumindest für den Moment. Natürlich kamen wir auch nicht an dem "Hamsterrad" auf dem Wasser vorbei, ohne es einmal auszuprobieren....
Die Mädels sind unglaublich zäh. Obwohl es am nächsten Tag nur noch schlappe 14 Grad Celsius "warm" war, schmissen sie sich in ihre Badeanzüge und in die graue Nordsee. Respekt! Ada lag mal wieder unfreiwillig komplett drin...  Dann lieferten wir uns noch eine lustige Algenschlacht. So viel Aktion macht Hunger - Vianne verspeiste später im Hafen unzählige Kibbelinge und noch mehr Nordseekrabben (wovon sich "Möwe" Ralf ein paar stibitzte, was zu lautem Protest führte) Hin und wieder versuchten Angst und Pessimismus die Oberhand zu gewinnen, aber solange Vianne sich so dermaßen fit zeigte, hatten beide mächtigen Gegner keine Chance. Am letzten Tag unseres Kurzurlaubs erkundeten wir den Spielplatz am Strand, spielten im Park eine Runde Schach und Mühle mit überdimensionalen Spielfiguren, besuchten anschließend die Robben-Aufzuchtstation, bevor wir uns am frühen Abend in aller Ruhe Richtung Heimat aufmachten. Dabei veranstalteten Ada und Vianne einen Schimpfwort-Wettbewerb. Während anfangs sämtliche Flatulenz- und (seichte) Fäkalienbegriffe fielen, wurden die Damen nach und nach einfallsreicher: Irgendwann schleuderte Vianne Ada inbrünstig "du verlorenes Kind" entgegen, woraufhin Ada mit "du Grashalm" konterte.

Unsere Ärzte sind erstaunt, wie fit Vianne trotz all der Tumorlast ist. Es gibt weitere neue Metastasen im Köpfchen, die alten Herde sind zum Teil gewachsen. Es kann nicht sein! Trotz all dieser hoffnungslosen Nachrichten weigern wir uns nach wie vor, das Kommende zu akzeptieren. Es gibt diesen Teil namens Vernunft in uns, der uns "vorbereitende" Bücher mit ihr lesen lässt (wir haben mittlerweile ein wirklich gutes Kinderbuch gefunden „Die Königin und ich“, das wir den Mädels auf eigenen Wunsch am ersten Tag mehrmals vorlesen mussten), aber andererseits haben wir vergessen, vernünftig zu sein. Ich  persönlich könnte bis zum Ende Zeit mit ihr am Meer verbringen... In drei Wochen haben wir drei Wochen Urlaub. Halte durch, kleine starke Vianne...Für das Meer, für die Wellen, für die Unvernunft...















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