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7. Februar 2017

Echtzeit! Palliativdienst



Mittwoch, 6. Mai 2015


Heute Mittag war die Frau vom Essener Palliativdienst da, um sich und die Tätigkeiten des Vereins und die Möglichkeiten der Begleitung von betroffenen Familien vorzustellen. Blöderweise hatte ich den Termin genau in die Kindergarten-Abholzeit gelegt. Unterbewusstsein? Vielleicht wollte ich gar nicht Zuhause sein? Keine Ahnung. Jedenfalls hat eine liebe Freundin die Zwillinge abgeholt und hierher gebracht. Den Vormittag über ging es mir echt dreckig. Verdrängung klappt nicht mehr, wenn solch ein Besuch ansteht - wenn ein weißes Auto mit den fetten Lettern "Kinder-Palliativdienst" vorm eigenen Haus parkt. Aber die Frau war gut und konnte der Situation etwas von dem Schrecken nehmen. Ada und Vianne sprudelten vor Leben, flitzten vor dem Haus auf Laufrädern und Rollern auf und ab, wirbelten durchs Haus und quatschten unsere Besucherin hemmungslos zu, so als ob sie dem Schicksal einen fetten Tritt in den (Entschuldigung) Arsch geben wollten. Sie sprudelten vor Leben, während wir Erwachsenen Gespräche über Sterbebegleitung führten. Vianne soll

weiter sprudeln.... Mein Verstand weiß, dass der Ansatz der richtige ist. Es ist wichtig, gewisse Dinge vorher in die Wege zu leiten, abzuklären, sich kennenzulernen, bevor die schlimmen Situationen über uns hereinbrechen. Mein Herz kommt aber dem Verstand nicht hinterher und bröckelt. Wir sollen in den nächsten Tagen Rückmeldung geben, ab wann wir die Palliativbetreuung benötigen.

Später am Tag machten die Schlawiner "Klingelmännchen" - ich sah nur noch einen roten und einen grünen Helm hinter der Hecke verschwinden, begleitet von lautem Gekicher. Nach einem ausgiebigen Mittagessen plus Nachtisch und Vorspeise und Vor-Vorspeise (nach dem Frühstück) vertilgte Vianne am Nachmittag anderthalb Stücke selbstgemachten Erdbeerkuchen von Oma, der auf ihrem Teller fast vollständig unter einem Sahne-Bergmassiv verschwand. Zwischendurch stibitzte sie noch etliche Erdbeeren aus der Schüssel, bevor sie am Abend ein Brot und drei Scheiben Wurst vertilgte. Was für ein gesunder Appetit! 

Vianne ist momentan sehr verschmust. Wir kuscheln viel. Auch wenn ihr kindlicher Geist die Situation noch nicht in aller Klarheit erfassen kann, weiß sie - glaube ich - mehr, als sie preisgibt. Sie zeigt es uns nur nicht, als ob sie uns schützen will. Nur in manchen Augenblicken schimmert es durch. Wenn ihre Augen ganz abwesend schauen. Oder wenn sie ihre dünnen Ärmchen ganz fest um mich schlingt, so wie heute Abend. "Ich habe dich unglaublich lieb", flüsterte ich ihr ins Ohr. "Ich dich auch, Mama", flüsterte sie zurück, "nur...nur den frechen Wicht HABE-ICH-ÜBERHAUPT-NICHT-LIEB", sagte sie laut und trotzig und verletzlich zugleich. Ich sehe es in ihren Augen: sie weiß mehr, als sie uns sagt.

Vianne verzaubert uns alle - immer wieder. Ich weiß nicht, wie wir auf diesen Zauber jemals verzichten sollen. Vielleicht ist sie zu zauberhaft für diese Welt?






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