Rückblick: Dezember 2013 - Juni 2014
Es
ging natürlich nicht von heute auf morgen, aber wir schafften es im Laufe der
Monate, wieder in ein "normales Leben" einzutauchen mit regelmäßigen
Kindergartenbesuchen und noch regelmäßigerem morgendlichem Rumgezicke,
Zahnarztterminen, Ballettstunden, Spielplatzbesuchen. Eine Freundin meinte später
einmal, wir hätten langsam aber stetig in den Alltag zurückgefunden.
Zwar
musste ich weiterhin mit Vianne einmal wöchentlich zur Krankengymnastik und
später zur Ergotherapie, um die Feinmotorik ihrer rechten Hand zu verbessern,
und wir hatten unsere Kontrolltermine (onkologische Ambulanz, Augenarzt,
Ohrenarzt, MRT) und Viannes umfassende Abschlussuntersuchung (Sono,
EEG, EKG,...), ansonsten unterschied sich unser Leben aber nicht mehr so sehr
von dem anderer Familien aus unserem Umfeld. Zur psychischen Verarbeitung
nahmen Ada und Vianne vorsorglich an der Kunsttherapie bei K. teil - beide
Mädchen freuten sich bereits immer Tage im vorraus auf diese Stunde.
Der
Alltag erschien so leicht. Wir trauten uns sogar langsam wieder, Pläne zu machen,
für Urlaube, Wochenendverabredungen, Geburtstagsfeiern. Über Weihnachten fuhren
wir kurzfristig mit meiner Schwester und meinem Schwager in den Skiurlaub. Ada
und Vianne lernten Skifahren. Im Skikurs Zillertaler Berge Wer
Vianne nicht kannte konnte nicht glauben, dass sie ein Jahr Intensivtherapie
und eine schwere Hirn-OP hinter sich hatte. Wir unternahmen viele tolle Dinge,
reisten und saugten voller Inbrunst die bunten Farben des Lebens in uns auf.
Im Frühjahr besuchte ich mit Luke, Ada und Vianne meine liebe U. Wir lachten im
Auto herzhaft über die Känguru-Chroniken und paddelten im Holzruderboot bei
herrlichem Wetter auf der Außenalster. Wenig später erkundeten Micha, die
Kinder und ich das Elsass, machten eine Stippvisite in Strasbourg und auf dem "Affenberg".
Anschließend trafen wir uns mit Freunden in St. Leon Roth zum Wakeboarden und
Zelten. Dann stand im Mai noch ein Nachtreffen in der Nähe von Weimar mit all
denjenigen Familien an, die wir während
der Sylt-Reha schätzen gelernt hatten. Im Juni kam U. mit ihren Kindern für ein
paar Tage zu uns - es war mal wieder ein Highlight. Wir saßen abends lange bei
einem leckeren Getränk zusammen, fuhren in die Zoom-Erlebniswelt und
verbrachten dort einen unbeschwerten Tag. Dann verschlug es uns wieder in die Nähe
von Heidelberg, wo wir ein entspanntes (und essenstechnisch spannendes)
Wochenende bei Michas Nichte, ihrem Mann und Kind verlebten. Sie führten uns in
die "vitalstoffreiche zuckerfreie Vollwertkost" ein. Wir hatten schon
so lange vorgehabt, die drei zu besuchen. Nun machten wir Nägel mit Köpfen.
Freunde
unserer Kinder konnten wieder uneingeschränkt zu uns kommen, da Vianne nicht
mehr so immungeschwächt war. Zwar dümpelten ihre Leukozyten noch immer im
Grenzbereich, aber das war nach der schweren zehnmonatigen Chemotherapie
vorauszusehen. Ihr Körper brauchte jetzt einfach Zeit, sich zu erholen.
Zur Stärkung ihres Organismus holten wir uns Ratschläge bei den Anthroposophen
und unterstützten mit Scleron und Formica, später mit Echinacea.
Ada
und Vianne feierten im April ausgiebig Kindergeburtstag im Beisein der Familie
und zahlreicher kleiner Freunde. Die Mäuse hatten sich für die Kinderparty
einen Pferdegeburtstag gewünscht. Kein Problem! Alle Kinder bastelten sich ein
Steckenpferd - und Micha ritt auf seinem silbernen Schimmel vorneweg. Mir lief
ein Schauer über den Rücken, als wir am Abend ihres 5. Geburtstages einen
Maikäfer auf unserer Terrasse fanden - ein Prachtexemplar. Erinnert ihr euch:
bereits zu Ada und Viannes Geburt entdeckte ich abends einen Maikäfer auf dem
Krankenhaus-Balkon. Ich sah es als gutes Omen. (Im Nachhinein frage ich mich,
ob der Maikäfer nicht ein Vorbote war der uns sagen wollte, dass sich Viannes
Lebenskreis schließt.)
Wir
genossen diese Monate in vollen Zügen. Anfangs war es zwar etwas ungewohnt,
keine Therapien mehr zu erhalten und wir mussten uns zur inneren Ruhe ermahnen
und unsere Angst vor einem Rückfall auf Eis legen, jetzt, wo wir nicht mehr
aktiv gegen die Krebszellen vorgingen. Aber auch das lernten wir. Allerdings schlotterten
uns vor jedem MRT die Knie und wir waren die Tage davor und danach kaum zu
gebrauchen. Aber die Befunde der Januar- und April-Aufnahmen 2014 zeigten
weiterhin keinen Hinweis auf ein Rezidiv. Unsere Zuversicht wuchs. Kurze Zeit
später mussten wir erfahren, mit was für einer tückischen Erkrankung wir es zu
tun haben. Denn noch halb im Verborgenen wuchs heimlich, still und leise der
"freche Wicht" heran... Als man im Nachhinein wusste,
auf welche Stelle man genauer hätte gucken müssen, stellte sich Heraus, dass er
seine kleinen gierigen Finger bereits im April ausgestreckt hatte - als der
Maikäfer kam...
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