Rückblick: 2. Juli 2014
Vianne
war großartig. Sie hatte keine Einwände gegen ein weiteres MRT, eine weitere
Narkose. Sie wirkte mental am Stabilsten von uns allen. Wir hatten ihr erzählt,
dass die Dortmunder noch einmal "Fotos" von ihrem Rücken machen
müssen. "Okay", sagte sie. "Kriege ich dann wieder ein Heft vom
Kiosk?" Andi begleitete uns. Wir mussten Ewigkeiten warten, bis wir dran
kamen. Es war wieder ein Notfall dazwischen gekommen. Vianne musste natürlich
wieder nüchtern bleiben. Je länger wir warteten, desto angespannter wurde ich.
Falls die Radiologen etwas im Spinalkanal entdecken sollten, konnte es sein,
dass die Chirurgen
sie sofort operieren müssen, je nachdem, ob und wie stark irgendetwas auf das
Rückenmark drückt. Andi und ich lasen Vianne abwechselnd vor oder spielten
etwas mit ihr. Zwischendurch hielt ich es nicht mehr
auf den Stühlen im Spielzimmer aus und wanderte ruhelos den Krankenhausflur
rauf und runter. Eine weitere Stunde verging. Verdammt! Ich spürte die Wut in
mir. Vianne war zufrieden, entspannt, fast gut gelaunt. Meine Wut steigerte
sich, meine Wut auf diese Scheiß-Krankheit, meine Wut über diese ewige Warterei,
meine Wut über diese Ungerechtigkeit, dass Vianne nicht zu den Kindern gehörte,
die tumorfrei bleiben. Die Wut breitete sich aus und irgendwann überschritt sie
einen Punkt, an dem ich sie kaum noch kontrollieren konnte. Ich platzte. Ich
sprang auf. Ich trat einen Stuhl um. Jetzt weiß ich, was "im Affekt" bedeutet.
Ich war vor mir selbst erschrocken. Aber jetzt ging es mir besser. Auszug aus
dem vorläufigen Befund:
"Kein
Hinweis auf eindeutige Abtropfmetastasen. Unveränderte knotenförmige
Kontrastmittelanreicherung dorsolateral linksseitig angrenzend am Myelon auf
Höhe von BWK 11, am ehesten einem Gefäß entsprechend."
Gut!
Keine Metastase(n) in der Wirbelsäule. Auch das Ergebnis der parallel
durchgeführten Lumbalpunktion ließ etwas hoffen: Kein Nachweis von Tumorzellen
im Liquor! Im Kopf war etwas, im Rücken und im Hirnwasser nicht. Das war unsere
neue Ausgangssituation.
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