Die
Tage vergehen. Mal geht es Vianne etwas besser, mal etwas schlechter. Aber
letztendlich wird sie von Tag zu Tag durchscheinender. Wir freuen uns, wenn wir
Vianne "durchblitzen" sehen. In diesen Momenten stupst sie schelmisch
meine Nase mit ihrem Finger an. Oder sie steckt sich zwei Schnullis
gleichzeitig in den Mund. Am Mittwochmorgen konnten wir sogar eine Runde
"Tempo, kleine Schnecke" spielen. "Vianne, du darfst auch die
rosa Schnecke haben",
sagte Ada liebevoll. "Ihr seid alle so lieb zu mir", antwortete
Vianne daraufhin. Das Spiel forderte viel Kraft, kurz danach schlief sie sofort
wieder ein.
Am
Mittwoch kamen Oma und Opa zu Besuch - Vianne war an diesem Tag oftmals wach
und hat sich sehr über den Besuch gefreut. Ihre erste Frage: „Oma, hast du was
mitgebracht?" Ich musste lachen. Zum Glück hat es mit dem Besuch noch
geklappt. Oma hatte sich extra für einen Tag aus dem Krankenhaus verabschiedet.
Jetzt ist sie zum Glück sowieso wieder zuhause. Am Donnerstag folgte mittags
eine heftige Schmerzspitze, danach war Vianne völlig apathisch bis Mitternacht,
dann fing sie sich wieder. Wir mussten das Morphin auf 1,5 ml/h hochsetzen. Ich
traue mich kaum noch von ihrer Seite - und doch tut es gut, mal einen Moment
loszulassen. Zudem ist da ja noch immer der Alltag: Einkäufe, Impftermine, die Geschwisterkinder,
die gerne mal ein Eis essen gehen oder zu Freunden gebracht werden möchten. Wir
nehmen uns diese kurzen Momente - und hasten dann ganz schnell wieder nach
Hause, getrieben von der Angst, dass gerade irgendetwas Schlimmes passiert. Das
Palliativteam schaut alle paar Tage, je nach Bedarf, vorbei. Heute musste ein
neuer Zugang gelegt werden, weil der erste schon eine Woche alt war und nicht
mehr so gut funktionierte.
Das
Infektionsrisiko ist dann auch zu hoch. Trotz Emla-Pflaster flossen Tränen bei
Vianne. Die Ärzte sind erstaunt, dass Vianne sich immer wieder fängt. Die
Pflege kommt mehrmals täglich, allein schon um die Cortison-Dosen zu
verabreichen. Sie haben uns eine Fünfstern-Einreibung mit einer Lavendel-Creme empfohlen
- die beruhigt. Vianne genießt sie sichtlich.
Es
ist schlimm, sie so liegen zu sehen, die Augen entweder halb geschlossen oder
den Blick abwesend in die Ferne gerichtet. Sie spricht nicht mehr viel, bewegt
sich wenig und isst noch weniger. Aber sie ist meistens ganz klar und
ansprechbar. Vor nicht einmal vier Wochen ist Vianne Trampolin gesprungen und
hat mit Ada auf Terrasse Holzstücke angemalt - kaum noch vorzustellen, wenn wir
sie jetzt sehen. Die Krankheit greift so rasant um sich. Irgendwie ist schon so
viel von Vianne verschwunden - für uns ist es ok, wenn sie ganz gehen möchte
(auch wenn das niemand will). Sie entscheidet... Ada hat sich letzte Nacht in
Viannes Bett gekuschelt, während Vianne bei uns schlief.
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