Dienstag, 23.
Juni 2015
Vianne
ist müde - wir sind müde - das Wetter macht müde. Gerade musste ich wirklich
überlegen, welchen Wochentag wir haben: wir sortieren die Zeit momentan nur noch nach Abschnitten, in denen
es Vianne gut geht und nach Abschnitten, in denen es übel ist. Es wird keinen
überraschen, dass wir nach den relativ entspannten letzten Tagen einen
ziemlichen Einbruch hatten. Es deutete sich schleichend an: Müdigkeit, morgendliches
Erbrechen, Appetitlosigkeit: und dann war sie da - diese monströse Schmerzattacke.
Vianne hatte sich gestern zum Mittagsschlaf in unser Bett gekuschelt. Nach
mehreren Stunden wurde sie wach und kreischte vor Schmerzen. Ich gab ihr
nacheinander den Schmerzsaft und etwas später erstmalig wieder Cortison,
welches sie aber kurze Zeit später schwallartig erbrach. Mit einem schreienden
Kind auf dem Arm telefonierte ich mit Arzt und Krankenschwester vom
Palliativdienst. Zum Glück waren Oma und Opa da und hielten uns den Rücken
frei. Es ist so unglaublich schwer, Ruhe zu bewahren, wenn dein Kind vor
Schmerzen kreischt. Der Druck im Kopf muss gestern wahnsinnig hoch gewesen
sein. Nach einer weiteren Gabe der zuvor erbrochenen Medikamente bekamen wir
den Schmerz endlich in den Griff. Zwei Stunden später tanzte Vianne
popowackelnd nach "I feel good" (sie hatte damals nach Beendigung der
schweren Chemotherapie dieses "rockende und singende" Plüschschaf von
Lilli geschenkt bekommen) durch die Küche. Beim dritten Durchgang
setzten Ada, Micha und ich mit ein - irgendwo zwischen Erleichterung, dass es Vianne wieder besser
geht und ganz nah am Wahnsinn. Ganz gleich, wie schlecht sich Vianne fühlt:
ihren Humor hat sie noch nicht verloren. Als sie kürzlich wieder bei uns im
Bett geschlafen hat, meinte sie direkt nach dem Aufwachen: "Mama, wo ist
denn Papa?" "Der ist oben, ich glaube, dem war es zu eng hier."
Vianne kichernd: "Ja wenn du dich auch so breit machst..."
Wir
sind nun auf ein tieferes Level gerutscht: die dauerhafte Schmerz-Medikation.
Bisher hatten wir den Luxus, ihr die Mittel nach Bedarf geben zu können. Diese
Zeit scheint vorbei. Es soll sich erst gar nicht noch einmal solch eine
Schmerzspitze aufbauen. Das heißt aber auch für Vianne, mehrmals täglich
widerlich schmeckende Tabletten - zerdrückt oder in Flüssigkeit aufgelöst - zu
schlucken. Sie muss sich jedes Mal überwinden. Scheiße. Heute sagte sie wieder
zu mir, dass sie nicht sterben will. Ich hätte meinen Kopf in die Wand rammen
können... Insgesamt geht es Vianne wieder besser. Ihre Stimmungsschwankungen
sind jedoch anstrengend - für alle Familienmitglieder. Gerade kam Micha nach
Hause. Ada begrüßte ihn erfreut und meinte dann skeptisch: "Wo kommst du
denn her? Du siehst so bürolich aus." Ich liebe diese kleinen leichten
Momente... Nächstes Ziel: Urlaubstour! Damit die Müdigkeit verfliegt...
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