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17. April 2017

Rückblick! Der letzte Urlaub...Teil III



Sonntag, 5. Juli - Donnerstag, 9. Juli 2015


Sonntag in der Früh erbrach sich Vianne am Hopfensee mehrmals nacheinander, sie weinte, sie hatte Kopfschmerzen. Wir machten uns schreckliche Sorgen, gaben ihr Zofran gegen Übelkeit, Novalgin gegen Kopfschmerzen, legten ihr einen kühlen Waschlappen aufs Köpfchen, denn es war bereits wieder unglaublich warm - über 30 Grad Celcius. Wir mussten den Campingplatz bis 11 Uhr räumen, also packten wir unsere Sachen zusammen, während sich Vianne ausruhte. Wir hatten keinen Plan, wohin die weitere Reise gehen sollte. Zudem hatten wir Luke versprochen, auf dem Hopfensee Kanu zu fahren. Nun waren wir in einer Zwickmühle: Vianne ging es nicht gut, Luke beharrte auf seinem Recht, zumal wir ihn am Vortag schon vertröstet hatten. Also willigten wir die Paddeltour schweren Herzens ein. Der Kanuverleih lgag nicht weit entfernt vom Campingplatz. Wir parkten das Wohnmobil auf dem öffentlichen Parkplatz am See, setzten Vianne in den Buggy, kühlten weiterhin ihr Köpfchen und nahmen zur Sicherheit auch noch die Brechschüssel und ihr Medizin-Pack mit. Nahe des Kanuverleihs suchten wir uns ein schattiges Plätzchen, wo Vianne sich auf ein Badetuch kuscheln konnte. Unterdessen liehen sich Micha und die übrigen Kinder zwei Kanus: Micha fuhr mit Ada, Jesse mit Luke. Vianne schien sich etwas zu erholen, Übelkeit und Kopfschmerz machten eine kleine Pause. Eigentlich war es eine gute Idee, noch etwas Zeit am See zu verbringen. Zum einen wussten wir eh nicht so recht, wo es hingehen sollte, zum anderen wollten wir ungern in diesem Zustand mit ihr fahren. Nach der Hälfte der Zeit löste ich Micha im Kanu ab. Nach beendeter Tour fragten wir den sympathischen Kanubesitzer, welcher See in der weiteren Umgebung zu empfehlen wäre. Aufgrund des guten Wetters und der Nähe zu München riet er uns vom Walchen- und Chiemsee ab. "Momentan zu überlaufen", so sein Kommentar. Da würden wir sicherlich keinen Stellplatz direkt am See kriegen. Und tatsächlich: die telefonische Bandansage diverser Campingplätze teilte uns freundlich mit, dass alles belegt sei. Da kam uns der Achensee in den Sinn, kurz hinter der Grenze, in Österreich. Wir erreichten leider nur den Anrufbeantworter, auf dem wir eine Nachricht hinterließen. Auf gut Glück fuhren wir erst einmal gen Westen Richtung Walchensee. Zur Not würden wir einfach an einem kleineren, unbekannten See campieren. Doch schon nach halbstündiger Fahrt rief uns die Dame vom Achensee-Camping zurück. Sie hätte noch etwas frei. Also auf zum Achensee - obwohl mir nicht so richtig wohl dabei war, mit Vianne gerade jetzt Deutschland zu verlassen. Doch wir hatten so schöne Erinnerungen an den See, und die Grenze lag wirklich zum Greifen nah. Die Fahrtstrecke war relativ kurz und schön: vorbei am Tegernsee, durch Bad Tölz und immer an der grünen Isar entlang, dann über den Achensee-Pass rüber nach Österreich. Vianne ging es die Fahrt über ganz gut, zumal das Wohnmobil eine prima Klimaanlage hatte. Der kleine Campingplatz direkt in Achenkirch, den wir noch von unserer Gardasee-Tour vor sieben Jahren in Erinnerung hatten, hatte sich mittlerweile zu einem 5-Sterne-Ressort entwickelt, sich aber trotzdem noch seinen Charme behalten. Zusätzlich gab es nun einen toll angelegten Wasserspielplatz und direkt daneben einen Abenteuerspielplatz, beides in unmittelbarer Seenähe, einen kleinen Indoorspielbereich und ein nettes Restaurant mit Dachterrasse.

Bei der Ankunft am Nachmittag wirkte Vianne allerdings müde und geschafft - sie wollte noch nicht einmal´zum (Wasser)Spielplatz, während für Ada und Luke kein Halten mehr war. Irgendwann rappelte sie sich dann doch auf. Während Ada über die Wiese preschte, schlich Vianne zart und zerbrechlich und wacklig hinterher. Ich konnte all meine Tränen - Tränen des Mitleids, der Sorge, der Wut, der Verzweiflung, der Ungerechtigkeit, der Hilflosigkeit - nicht mehr zurückhalten. Vianne tat mir in diesem Moment so unendlich leid - hier inmitten all dieser lebendigen, glücklichen, energiegeladenen, lachenden Kinder. Diese Krankheit war fies, gemein, kaltherzig, erbarmungslos, grausam. Sie hielt Vianne davon ab, unbeschwert spielen zu dürfen, ohne Einschränkung, ohne Schmerz. Am Abend ging es ihr endlich etwas besser, und auch ich blühte dadurch förmlich auf. Lautstark forderte sie eine Pommes (mit Majo und Ketchup), die sie kurz darauf genüßlich verspeiste. Von einer Minute auf die andere wurde alles wieder leichter. Vor Erleichterung und um ihr ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern, kauften Ada und ich zwei "Little Ponys" im Camping-Shop: ein gelbes für Ada, ein rosafarbenes für Vianne. Vianne bestand darauf, persönlich noch einmal den Laden aufzusuchen, um zu schauen, ob wir die richtige Wahl getroffen hatten. Prüfend besah sie sich die anderen Ponys - und zeigte sich zufrieden. Später am Abend spielte ich noch mit den Jungs Federball, nachdem Micha und ich die kleinen "Mäuse" ins Bett gebracht hatten. Anschließend veranstalteten wir noch lustige Mutproben am See. Luke stand am Stegende: Er hatte drei Steine in der Hand. Wenn er eine von Jesse und mir gestellte Frage nicht beantworten kann (natürlich seinem Wissensstand entsprechend oder Scherzfragen), muss er einen Stein ins Wasser werfen. Wenn er keinen Stein mehr übrig hat und die richtige Antwort nicht weiß, dürfen Jesse und ich ihn in den Achensee schmeißen - und der ist verdammt kalt! So die Spielregel. Unter lautem Protest landete Luke letztendlich mit einem großen Platscher im See. Am nächsten Abend war Jesse dran...er hat nicht damit gerechnet, dass Luke sich so gut in der Tierwelt auskennt.

Vianne baute im Laufe dieses Urlaubs stetig ab. Das wurde uns am Achensee so richtig vor Augen geführt. Auch am nächsten Tag, am Montag, 9. Juli, wirkte sie weiterhin erschöpft und kraftlos, wollte weder baden noch schwimmen noch spielen. Später am Tag wanderten wir zu einem nahe gelegenen Gebirgsbach, der aber leider ausgetrocknet war. Die Kinder murrten. Vianne schoben wir im umgebauten Fahrradanhänger. Sie sprach kaum ein Wort. Unterwegs trafen wir auf Almkühe und freilaufende Pferde - mitten im Wald. Ada war begeistert, ging sofort auf die Pferde zu, streichelte sie und wusste kaum wohin mit ihrer Freude.

Vianne saß müde in ihrem Anhänger und blickte teilnahmslos zu den Tieren. In diesem Moment wusste ich, dass wir ganz schnell zurück nach Deutschland mussten. Ich bekam Gänsehaut, mitten in der Sonne. Vorzeitig kehrte ich auf ihren Wunsch mit ihr zum Wohnmobil zurück. Micha kam mit den anderen Kindern etwas später nach, sie wollten noch einmal an anderer Stelle nach dem Bach schauen.

Die Nacht verlief zum Glück relativ ruhig. Ich horchte die ganze Zeit nach ihr. Am Dienstagmorgen spuckte sie wieder, weinte vor Kopfweh. Kurzerhand brachen wir unsere Zelte ab. Ursprünglich wollten wir uns noch mit Bekannten in München treffen, aber Viannes Zustand machte uns solche Sorgen, dass wir kurzerhand absagten. Wir wollten unbedingt wieder näher an Heidelberg kommen, Vianne aber andererseits eine nicht allzu lange Fahrt zumuten. Wir entschieden, einen Zwischenstopp auf einem Bauernhof in der Nähe von Ulm und dem Legoland einzulegen, wo wir Ende April Adas und Viannes Geburtstag gefeiert hatten. Auf der Fahrt dorthin schrie Vianne einige Male vor Schmerzen auf. Immer und immer wieder gaben wir ihr die Schmerztropfen, unsere Nerven lagen blank. Ich wechselte mit Jesse den Platz, um neben ihr zu sitzen. Irgendwann verabreichten wir ihr das erste Mal die Morphin-Tropfen - 13 Stück. In Ulm angekommen, legten wir sie auf eine Decke im Schatten des Wohnmobils, wo ein leichter Wind wehte. Luke kuschelte sich eng an sie und schaute mit ihr "Wolkenbilder". Sie schlief lange. Gegen Abend wurde sie aktiver und besuchte noch mal mit mir die Spielscheune. Hier saß sie vor noch nicht einmal zweieinhalb Monaten lachend auf dem Holzpferd, hatte sich mit uns in die rasante Wasserbahn im Legoland getraut, stand allein auf Inlinern - in ihrer jetzigen Verfassung unvorstellbar. Wir beschlossen, am nächsten Tag, Mittwoch, 8. Juli, nach Heidelberg zurückzufahren, noch eine Nacht an der Wakeboardanlage zu verbringen, in Ruhe das Wohnmobil zu säubern und es am Donnerstagmorgen vorzeitig abzugeben. Mittwochmorgen ging es Vianne scheinbar wieder besser. Sie biss sogar in ihr Frühstücksbrötchen. Wir schauten uns noch kurz Ulm an und entdeckten einen coolen Skate-, Surf- und  Snowboardladen. Ada verliebte sich sofort in ein knallrosa Shortboard - für schlappe 230 Euro - und machte einen Affentanz, weil wir es ihr nicht kaufen wollten. Vianne schaute sich interessiert um, bewunderte Schmuck und Portemonnaies und Schuhe und alles was glitzerte. Noch auf dem Weg zurück zum Auto wurde sie wieder müde. Auf der Autobahn kamen wir immer wieder in einen Stau - und Vianne baute ab, weinte wieder vor Schmerz, schrie wiederholt auf. Kurz vor dem Campingplatz am Leoner See musste sie sich erneut  schrecklich übergeben. Vor lauter Angst und Anspannung hatten Micha und ich uns kurz zuvor auch noch lautstark gestritten. Wir waren so hilflos. Wir riefen Martin und Petra an (die ursprünglich zum See kommen wollten) und baten sie darum, uns bei ihnen zuhause zu treffen. Dort verbrachten wir die letzte Nacht unseres Urlaubs. Hier schließt sich der Kreis.












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