Echtzeit! 1. Oktober 2014
Wir
haben in den letzten Tagen etliche Hürden genommen und ein Etappenziel
erreicht: wir dürfen mit Vianne in den Urlaub fahren. Wir sollen!! mit Vianne
in den Urlaub fahren. Allerdings haben wir uns bei diesem
"Hürdenlauf" einige Blessuren zugezogen. Die erste Hürde - die
Temodal-Gabe - konnten wir nach gewissen
Anlaufschwierigkeiten gut bezwingen. Gestern eskalierte die Situation zwar, als
wir Vianne eine Stunde dazu bringen wollten, die Kapsel als Ganzes zu schlucken
(wir bettelten, wir schrien, wir bestachen, wir heulten, wir trösteten, wir
argumentierten, wir motivierten, wir rieten...), dann jedoch hatte Micha die rettende
Idee, das fiese Pulver im Akazienhonig zu verrühren. Vianne schluckte es! In
der Nacht erbrach sie sich dieses Mal nicht, da wir zur Vorbeugung Zofran und
Vomex als Zäpfchen gegeben hatten.
Die
zweite Hürde - das gestrige MRT - gingen wir gut an. Vianne brachte es wie ein
großes Mädchen hinter sich: wach, ohne Sedierung, allein in der Röhre, während
Micha daneben saß. Tapfer, tapfer, tapfer. Sie hüpfte bestens gelaunt in den
Vorbereitungsraum, eschwerte sich über das Hemdchen ("ich mag das grün nicht")
und schnullerte entspannt. Alle Ärzte waren begeistert, wie souverän sie es
meisterte. Sie durfte "Der kleine Drache Kokosnuss" hören, während
rund 30 Minuten lang Aufnahmen des Köpfchens gemacht wurden. Micha hatte das
Hörspiel mitgebracht. Der Radiologe hätte die MRT-Aufnahmen gerne verlängert,
damit
er "Kokosnuss" zu Ende hören konnte. Wir mussten ihm versprechen, das
Hörspiel zu kopieren. Heute kam das Ergebnis der MRT-Untersuchung. Hürde Nummer
drei, die uns kurzzeitig zu Fall brachte: es gibt zwar keinen Hinweis auf einen
neuen Tumor, der die Pupillendifferenz erklären würde, aber es gibt eine kleine
Auffälligkeit im allerersten Tumorgebiet im Parietallappen. Die Radiologen
meinen, es könnte minimales Tumorgewebe sein, die Kinderradiologin schließt
allerdings auch ein ganz normales Gefäß nicht aus, was ebenfalls Kontrastmittel
anreichert. Es weiß also niemand Genaues. Letztendlich bringt nur ein weiteres
Kontroll-MRT in sechs Wochen Gewissheit oder eventuell der Referenzbefund aus
Würzburg. Die Ärztin, die die Aufnahmen befundet, ist nämlich sehr erfahren,
streng und genau. Es ist gemein! Hätte nicht zumindest dieser MRT-Befund gut
ausfallen und uns für ein paar Wochen Ruhe bescheren können, um durchzuatmen?
Aber "hätte, hätte" bringt uns nicht weiter. Fakt ist, dass Vianne
aktuell dadurch nicht gefährdet ist und derzeit sowieso nichts unternommen würde.
Also ab in den Urlaub! Jeden Tag muss ich mich zwingen, gedanklich im Hier und
Jetzt zu bleiben und keine düsteren Zukunftsbilder zuzulassen. Es zerrt an
den Kräften. Aber noch stärker zerrt es, mir den weiteren Krankheitsverlauf und
die vielen, vielleicht nicht mehr bezwingbaren Hürden vorzustellen...
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