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26. August 2016

Zürich



Rückblick:  Juli 2013


Bevor Andi nach einer Woche mit dem Zug die Heimreise antrat, hatten wir noch mit Vianne einen Termin im Kinderspital in Zürich. Das Klinikum arbeitet eng mit dem PSI zusammen und stellt unter anderem das Anästhesieteam. Alle zwei Wochen sollten wir mit Vianne zur (Blut-)Untersuchung kommen. Auch hier zeigte sich wieder einmal, wie tiefenentspannt die Schweizer sind. Wir sollten frühestens um 14 Uhr vorbeikommen, zuvor wäre Mittagspause (wenn es 15 Uhr werden würde, wäre es auch nicht schlimm, sollten wir noch später kommen, sollten wir kurz Bescheid geben). Wir drei machten uns am Freitag nach Viannes Bestrahlung auf den Weg in das rund 70 Kilometer entfernte Zürich. Es herrschten bereits 30 Grad Celsius. Es machte Spaß, mehr von der Schweizer Landschaft und den urigen Dörfli zu sehen. Die Schweizer hatten uns bereits vorgewarnt, dass es schwer werden würde, das Kinderspital zu finden. Ach, wir hatten doch ein Navi, was sollte also groß passieren. Wie naiv! Mein Navi führte uns natürlich genau durch die Züricher Altstadt. Eigentlich empfinde ich mich als sicheren Autofahrer, der auch in Großstädten überhaupt kein Problem hat. Zürich aber brachte mich an meine Grenzen. So oft wie dort bin ich noch nie aus Versehen in der Busspur/ Tramspur gelandet. Mein Navi kam in dem engen Gassengewirr nicht mehr nach. Ich sollte links abbiegen, es ging aber nur geradeaus oder rechts. Ich fing an zu schwitzen. Andi holte den Stadtplan hervor. Nachdem wir gefühlte 30 Mal im Kreis gefahren waren und jegliche Orientierung verloren hatten, erreichten wir irgendwann - einiges später als 14 Uhr - das Kinderspital. Die nächste Herausforderung war, einen entsprechenden Parkplatz zu finden. Ziemlich abgehetzt kamen wir auf der Station an. "Grüezi miteinand“, du musst Emma (nein! Vianne!) sein", wurden wir gewohnt herzlich empfangen. Wir entschuldigten unsere Verspätung. "Ach, das geht allen so, die zum ersten Mal zu uns kommen", sagte die Schwester lachend, Zürich sei verkehrstechnisch eine echte Herausforderung. Wie wahr! Wir wurden ins Wartezimmer geleitet. Was war das? Wo waren die anderen Patienten? Aus Dortmund kannten wir nur volle Wartebereiche. Bereits nach wenigen Minuten wurde Vianne gewogen und vermessen, dann kam auch schon der Arzt, horchte sie ab, schaute in ihre Pupillen, prüfte Reflexe. Wir bekamen noch einen Parkausweis ausgehändigt und eine Liste mit Notfallnummern. Dann teilten uns die Ärzte die Blutwerte mit. Hä? Wie konnte das sein? Wir hatten Viannes Blutproben vor gerade einmal 15 Minuten im Labor abgegeben. Das Blut war bereits morgens am PSI abgenommen worden, wir hatten es in einer entsprechenden Kühlbox nach Zürich gebracht. In Dortmund mussten wir mindestens drei Stunden auf das Ergebnis warten. Beeindruckend, wie gut hier alle Abteilungen Hand in Hand arbeiteten. Viannes Werte waren soweit in Odnung. Wir konnten gehen. Wir fuhren mit der Tram zum Zürichsee und unternahmen eine schöne erfrischende Bootsrundfahrt. Bei mittlerweile 34 Grad Außentemperatur machten wir uns auf den Weg zurück nach Waldshut. Wir waren alle müde, die Kinder stritten und quengelten. Natürlich verfuhren wir uns wieder. Irgendwann schrie ich Ada und Vianne an - und übersah einen Blitzer. Scheiße! In der Schweiz geblitzt zu werden ist verdammt teuer. Dann stritt ich mich auch noch mit Andi. Es war alles zuviel: die Lautstärke, das ständige Verfahren, die nörgelnden Kinder, die Anspannung... Ich warf meiner Schwester ziemlich gemeine Sachen an den Kopf. Den Rest der Fahrt schwiegen alle. Taurig und ausgebrannt kamen wir in Waldshut an. Später am Abend entschuldigte ich mich bei meiner Schwester - es kam alles wieder ins Lot. Wir alle waren in dieser ersten Woche angespannter, als wir uns eingestehen wollten. Dabei ging es Vianne wirklich gut - kein Vergleich zu der Zeit der intensiven Chemotherapie. Sie vertrug die ständigen Narkosen und war nachmittags unsagbar fit. Unser Streit hatte auch etwas Gutes. Er war befreiend und reinigend. Andi und ich haben ein sehr vertrautes Verhältnis, das auch mal einen handfesten Streit aushält. Zum Glück! Am Samstag brachten wir meine Schwester zum Zug. Wir waren traurig und vermissten sie schon jetzt. Aber am nächsten Tag sollte Micha mit den Jungs anreisen. Darauf freuten wir uns wahnsinnig! Endlich konnten wir gemeinsam Zeit verbringen. Die ständigen Trennungen während der Chemotherapiezeit waren so schwer gewesen.



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