Rückblick: Juli 2013
Bevor
Andi nach einer Woche mit dem Zug die Heimreise antrat, hatten wir noch mit
Vianne einen Termin im Kinderspital in Zürich. Das Klinikum arbeitet eng mit
dem PSI zusammen und stellt unter anderem das Anästhesieteam. Alle zwei Wochen
sollten wir mit Vianne zur (Blut-)Untersuchung kommen. Auch hier zeigte
sich wieder einmal, wie tiefenentspannt die Schweizer sind. Wir sollten
frühestens um 14 Uhr vorbeikommen, zuvor wäre Mittagspause (wenn es 15 Uhr
werden würde, wäre es auch nicht schlimm, sollten wir noch später kommen,
sollten wir kurz Bescheid geben). Wir drei machten uns am Freitag nach Viannes Bestrahlung
auf den Weg in das rund 70 Kilometer entfernte Zürich. Es herrschten bereits 30
Grad Celsius. Es machte Spaß, mehr von der Schweizer Landschaft und den urigen
Dörfli zu sehen. Die Schweizer hatten uns bereits vorgewarnt, dass es schwer
werden würde, das Kinderspital zu finden. Ach, wir hatten doch ein Navi, was
sollte also groß passieren. Wie naiv! Mein Navi führte uns natürlich genau
durch die Züricher Altstadt. Eigentlich empfinde ich mich als sicheren
Autofahrer, der auch in Großstädten überhaupt kein Problem hat. Zürich aber
brachte mich an meine Grenzen. So oft wie dort bin ich noch nie aus Versehen in
der Busspur/ Tramspur gelandet. Mein Navi kam in dem engen Gassengewirr nicht
mehr nach. Ich sollte links abbiegen, es ging aber nur geradeaus oder rechts.
Ich fing an zu schwitzen. Andi holte den Stadtplan hervor. Nachdem wir gefühlte
30 Mal im Kreis gefahren waren und jegliche Orientierung verloren hatten,
erreichten wir irgendwann - einiges später als 14 Uhr - das Kinderspital. Die
nächste Herausforderung war, einen entsprechenden Parkplatz zu finden. Ziemlich
abgehetzt kamen wir auf der Station an. "Grüezi miteinand“, du musst Emma
(nein! Vianne!) sein", wurden wir gewohnt herzlich empfangen. Wir
entschuldigten unsere Verspätung. "Ach, das geht allen so, die zum ersten
Mal zu uns kommen", sagte die Schwester lachend, Zürich sei
verkehrstechnisch eine echte Herausforderung. Wie wahr! Wir wurden ins
Wartezimmer geleitet. Was war das? Wo waren die anderen Patienten? Aus Dortmund
kannten wir nur volle Wartebereiche. Bereits nach wenigen Minuten wurde Vianne
gewogen und vermessen, dann kam auch schon der Arzt, horchte sie ab, schaute in
ihre Pupillen, prüfte Reflexe. Wir bekamen noch einen Parkausweis ausgehändigt
und eine Liste mit Notfallnummern. Dann teilten uns die Ärzte die Blutwerte
mit. Hä? Wie konnte das sein? Wir hatten Viannes Blutproben vor gerade einmal
15 Minuten im Labor abgegeben. Das Blut war bereits morgens am PSI abgenommen
worden, wir hatten es in einer entsprechenden Kühlbox nach Zürich gebracht. In
Dortmund mussten wir mindestens drei Stunden auf das Ergebnis warten.
Beeindruckend, wie gut hier alle Abteilungen Hand in Hand arbeiteten. Viannes
Werte waren soweit in Odnung. Wir konnten gehen. Wir fuhren mit der Tram zum
Zürichsee und unternahmen eine schöne erfrischende Bootsrundfahrt. Bei
mittlerweile 34 Grad Außentemperatur machten wir uns auf den Weg zurück nach
Waldshut. Wir waren alle müde, die Kinder stritten und quengelten. Natürlich
verfuhren wir uns wieder. Irgendwann schrie ich Ada und Vianne an - und übersah
einen Blitzer. Scheiße! In der Schweiz geblitzt zu werden ist verdammt teuer. Dann
stritt ich mich auch noch mit Andi. Es war alles zuviel: die Lautstärke, das
ständige Verfahren, die nörgelnden Kinder, die Anspannung... Ich warf meiner
Schwester ziemlich gemeine Sachen an den Kopf. Den Rest der Fahrt schwiegen
alle. Taurig und ausgebrannt kamen wir in Waldshut an. Später am Abend entschuldigte
ich mich bei meiner Schwester - es kam alles wieder ins Lot. Wir alle waren in
dieser ersten Woche angespannter, als wir uns eingestehen wollten. Dabei ging
es Vianne wirklich gut - kein Vergleich zu der Zeit der intensiven
Chemotherapie. Sie vertrug die ständigen Narkosen und war nachmittags unsagbar
fit. Unser Streit hatte auch etwas Gutes. Er war befreiend und reinigend. Andi
und ich haben ein sehr vertrautes Verhältnis, das auch mal einen handfesten
Streit aushält. Zum Glück! Am Samstag brachten wir meine Schwester zum Zug. Wir
waren traurig und vermissten sie schon jetzt. Aber am nächsten Tag sollte Micha
mit den Jungs anreisen. Darauf freuten wir uns wahnsinnig! Endlich konnten wir
gemeinsam Zeit verbringen. Die ständigen Trennungen während der
Chemotherapiezeit waren so schwer gewesen.
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